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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Ingo Krossing
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0179
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Antrittsrede von Ingo Krossing

dienst abgeleistet werden musste. Letzterer war für meine persönliche Entwick-
lung doch sehr wichtig, da er mir die „rosarote Brille“ von der Nase riss, und mir
zeigte, dass mein bisheriges wohlbehütetes Umfeld, sowohl am Gymnasium als
auch im Freundeskreis, nun doch einen zu kleinen Ausschnitt aus der komple-
xen Realität darstellte. Dies brachte die Entscheidung ins Wanken und nach vielen
Diskussionen ließ ich den Stichtag 15.7.1988 für meinen bereits aus dem Vor-
jahr sicheren Studienplatz in den Wirtschaftswissenschaften verstreichen. Meine
grundlegenden Interessen traten wieder hervor - ich hatte in der Kursphase Ma-
thematik und Biologie als Leistungskurse und Chemie mit einem ausgezeichneten
Lehrer als Grundkurs gewählt. Und nachdem mich besonders das Spannungsfeld
zwischen Chemie und Biologie begeisterte, sollte es nun mit einem Chemiestu-
dium weitergehen. Und natürlich konnte ich auch meinen an einer Technischen
Universität großgewordenen Vater überzeugen, dass in Bezug auf Biochemie zu
dieser Zeit die LMU zu bevorzugen war.
Studium: Damit stürzte ich mich ins Abenteuer Studium. Allerdings zeigte
sich im Verlauf dessen, dass es am Ende nicht die Biochemie war, die mich am
stärksten in ihren Bann zog, sondern die Anorganische Chemie. Hier gab es nach
meinem persönlichen Dafürhalten noch die meisten „weißen Flecken“ auf der
chemischen Landkarte. Und hier sehe ich als begeisterter Bergsteiger durchaus die
Analogie zu Entdeckungen und Erstbegehungen: Den Weg suchen und finden, der
zuvor noch von niemand anderem begangen worden war.
Doktorat: Zur Diplom- und Doktorarbeit ging ich in die Gruppe von Hein-
rich Nöth und bearbeitete ein Thema aus der Molekülchemie des Aluminiums.
Diese Zeit war herrlich. Ich konnte meinen drei großen Leidenschaften frönen:
Chemie bis zum Exzess, aber Ausgleich durch Bergtouren der härteren Gangart
und Kompensation durch die Musik. Ich spielte durchaus sehr ernsthaft in einer
Band - schließlich mussten wir ja 600 Mark im Monat für den Übungsraum auf-
bringen. Das macht man nicht ohne Einsatz... Trotzdem verging die Zeit wie im
Flug und nach nur zwei Jahren und zehn Monaten wurde ich mit Auszeichnung
promoviert.
Postdoktorat: Ab Mitte der Doktorarbeit wurde mir klar, dass ich gerne ein
Postdoktorat absolvieren wollte. Da ich im Studium fast ein Jahr in Lateinamerika
verbracht hatte und mein Spanisch damals recht flüssig war, wollte ich nach Me-
xiko. Mein Doktorvater hatte dorthin gute Kontakte, es schien alles geregelt und
ich sollte an das CINVESTAV in Mexiko City gehen. Doch sechs Wochen vor
meinem Rigorosum kam Herr Nöth mit einem Fax in der Hand (es war 1997)
zu mir und meinte, da hätte wohl etwas mit der Stelle nicht geklappt. Im gleichen
Atemzug sagt er, als ständiger Berater der Firma ChemMetall, dass diese in der
Forschung in Frankfurt jemanden benötigen würden und, wenn ich mich dort
bewerben würde, sollte ich die Stelle bekommen. Das war ein Freitag. Nachdem in
der Zwischenzeit durchaus der Gedanke aufgekommen war, ernsthaft eine wissen-

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