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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Ewald Frie
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0201
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Antrittsrede von Ewald Frie

Mehrebenenanalysen und versuche dabei, dem Tun und Erfahren an Orten und
in Situationen Raum zu geben. Der Zusammenhang zwischen Forschung und
außeruniversitärem Geschichtsverständnis ist mir wichtig. Das erste Büchlein, an
dem ich - noch Hilfskraft im Münsteraner Stadtarchiv - beteiligt war, behandelte
die Judenpogrome 1938 in Münster. Das letzte Buch war eine „Geschichte der
Welt, neu erzählt“.
Seit elf Jahren lehre ich nun in Tübingen. Ich durfte einen SFB „Bedrohte
Ordnungen“ mit initiieren, eine Weile leiten und die Freuden interdisziplinärer
Debatten und des Ringens um das beste Argument genießen. Ich freue mich auf
die nächsten Herausforderungen, die in einem Buchprojekt „Geschichte des Pazi-
fik“ und einem neuen interdisziplinären Drittmittelprojekt bestehen dürften. Das
Schwein in meinem Büro erinnert mich daran, dass ich viel Glück gehabt habe.
Eine Generation zuvor hätte ich die Chance auf Bildungsaufstieg nicht erhalten.
Wahrscheinlich hätte es eine Generation zuvor ein neuntes Kind gar nicht erst ge-
geben. Was sich daraus als praktische Nutzanwendung für Sie ergibt? Ganz einfach:
Wenn Sie demnächst in der Fußgängerzone auf eine kinderreiche Familie treffen
- seien Sie freundlich, besonders zu dem kleinen Jungen in der zweiten Reihe mit
der Schniefnase und dem Eoch im Socken, der heimlich versucht, seinen älteren
Geschwistern ein Bein zu stellen: Wenn unser Bildungssystem seine Inklusivität
und Attraktivität zurückgewinnt, die es in den 1960er und 1970er Jahren mal hatte,
kommt er vielleicht in einigen Jahrzehnten in der Akademie vorbei.

201
 
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