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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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C. Die Forschungsvorhaben
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II. Tätigkeitsberichte
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5. Melanchthon-Briefwechsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0243
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5. Melanchthon-Briefwechsel

ren. Die Auseinandersetzung zwischen Mclanchthon und seinem ehemaligen
Schüler und Kollegen Matthias Flacius Illyriens um die sog. Adiaphora (religiöse
Praktiken wie z. B. das Tragen von liturgischer Kleidung, für deren Handhabung
keine lehrhafte Festlegung gilt) nahm an Heftigkeit zu und wurde mit zwei offe-
nen Briefen (MBW 5643 und 5655) in die Öffentlichkeit getragen. Melanchthon
erfuhr von vielen Seiten Zustimmung und Unterstützung, musste sich aber auch
Kritik gefallen lassen, z.B. von Johannes Calvin, der in einem emotionalen Brief
freundschaftliche, aber deutliche Worte fand und Melanchthons Nachgiebigkeit
kritisierte (MBW 5830). Mehrfach wurde Melanchthon nach England eingeladen;
doch sich auf diese Weise den theologischen Streitigkeiten zu entziehen, kam für
ihn nicht in Frage. Zwölf Vorreden, davon vier zu eigenen Schriften und vier zu
Bänden mit Werken Luthers, dokumentieren die enorme Publikationstätigkeit
Melanchthons und seine intensiven Bemühungen, die Übereinstimmung der von
ihm vertretenen Lehre mit derjenigen Luthers zu untermauern. An Albert Har-
denberg schrieb er: „Weder die Lehre noch irgendwelche Riten sind hier verändert
worden, und es werden nützliche Bücher über die gesamte Theologie publiziert“
(MBW 5781.3). Auch andernorts brachen theologische Auseinandersetzungen aus:
Im Hamburger Streit über die Höllenfahrt Christi waren Melanchthon und die
Wittenberger Theologen als Gutachter gefragt; und im fernen Königsberg begann
der Osiandrische Streit zu brodeln, in dem es um die zentrale Lehre der Recht-
fertigung ging. Ablenkung fand Melanchthon im Familienleben: die Hochzeiten
seiner beiden Kinder Philipp und Magdalena wurden gefeiert. - Der im Dezember
erschienene Band enthält 335 Stücke, von denen 45 noch nie oder bislang nicht
vollständig ediert worden sind.
Zusätzlich zu den beiden Textbänden, in denen zusammen 640 Briefe aus dem
Zeitraum November 1548 bis Dezember 1550 ediert sind, hat Dr. Dr. h. c. Heinz
Scheible, der Gründer und langjährige Leiter der Forschungsstelle, einen weiteren
Band des Personenindex abgeschlossen, der im Oktober erschienen ist. Der Band
(MBW Bd. 13) enthält Biogramme und Literatur zu den Personen L — N; dabei
konnten zu sehr vielen Personen bisher unbekannte biographische Daten ermit-
telt und zahlreiche Biogramme in erheblichem Maße angereichert werden. Bei
der Bearbeitung dieses Bandes hat Tobias Gilcher durch Literaturbeschaffung und
Recherchen mitgewirkt; auch bei den beiden noch ausstehenden Personenbänden
unterstützt er Herrn Scheible.
Ende Januar haben Professor Dr. Frank Schweitzer, Lehrstuhlinhaber für Sys-
temgestaltung an der ETH Zürich, und seine Doktorandin Ramona Roller die
Forschungsstelle besucht und ihr Projekt „Das soziale Netzwerk der Reformato-
ren“ vorgestellt. Ihr Ziel ist es, die Reformation als europäisches Ereignis darzu-
stellen und die Vernetzung der Reformatoren untereinander sichtbar zu machen.
Dabei geht es beispielsweise um Darstellungen der Korrespondenzen auf einer
interaktiven Europakarte oder das Erkennen von „communities“ (s. Abbildung),

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