Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019
— 2020
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0050
DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2019
DOI Kapitel:II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:Schahadat, Schamma: Das russische Imperium als familiärer Raum: die Emotionalisierung der russischen Kultur um 1800
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0050
- Schmutztitel
- Titelblatt
- Inhaltsverzeichnis
-
A. Das akademische Jahr 2019
-
11-48
I. Jahresfeier am 18. Mai 2019
- 11-12 Begrüßung durch den Präsidenten Thomas Holstein
- 13-15 Grußwort des Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Jörg Hacker
- 16-21 Rechenschaftsbericht des Präsidenten
- 22-23 Kurzbericht der Sprecherin des WIN-Kollegs Daniela Mier: „JungeWissenschaft in der Akademie: das WIN-Kolleg“
- 24 Verleihung der Preise
-
49-80
II. Wissenschaftliche Vorträge
- III. Veranstaltungen
-
11-48
I. Jahresfeier am 18. Mai 2019
- B. Die Mitglieder
-
C. Die Forschungsvorhaben
- 223-224 I. Forschungsvorhaben und Arbeitsstellenleiter
-
225-331
II. Tätigkeitsberichte
- 225-228 1. Deutsche Inschriften des Mittelalters
- 229-234 2. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache (DAG)
- 234-240 3. Deutsches Rechtswörterbuch
- 240-242 4. Goethe-Wörterbuch (Tübingen)
- 242-246 5. Melanchthon-Briefwechsel
- 246-249 6. Altfranzösisches etymologisches Wörterbuch (DEAF)
- 250-255 7. Epigraphische Datenbank römischer Inschriften
- 255-260 8. Edition literarischer Keilschrifttexte aus Assur
- 261-267 9. Buddhistische Steininschriften in Nordchina
- 267-274 10. Geschichte der südwestdeutschen Hofmusik im 18.Jahrhundert (Schwetzingen)
- 275-287 11. The Role of Culture in Early Expansions of Humans (Frankfurt/Tübingen)
- 287-293 12. Nietzsche-Kommentar (Freiburg)
- 293-298 13. Klöster im Hochmittelalter: Innovationslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle (Heidelberg/Dresden)
- 299-305 14. Der Tempel als Kanon der religiösen Literatur Ägyptens (Tübingen)
- 306-310 15. Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Freiburg)
- 310-314 16. Kommentierung und Gesamtedition der Werke von Karl Jaspers sowie Edition der Briefe und des Nachlasses in Auswahl
- 314-318 17. Historisch-philologischer Kommentar zur Chronik des Johannes Malalas
- 319-325 18. Religions- und rechtsgeschichtliche Quellen des vormodernen Nepal
- 325-331 19. Theologenbriefwechsel im Südwesten des Reichs in der Frühen Neuzeit (1550–1620)
-
332-341
III. Drittmittel-geförderte Projekte
- 332-335 20. Nepal Heritage Documentation Project
- 335-338 21. Ludwik Fleck und seine ‚Denkkollektive‘: Der (Lemberger) Entstehungskontext seiner Ideen vom Denkstil und Denkkollektiv und ihre interdisziplinäre Rezeption
- 338-340 22. Individualisierung und Demokratisierung der Versorgung von Krebspatienten mittels künstlicher Intelligenz: transdisziplinäre Lösungen und normative Überlegungen
- 340-341 23. EUCANCan: a federated network of aligned and interoperable infrastructures for the homogeneous analysis, management and sharing of genomic oncology data for Personalized Medicine
-
D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
-
I. Die Preisträger
- 343-344 Akademiepreis
- 345 Karl-Freudenberg-Preis
- 346 Walter-Witzenmann-Preis
- 347-348 Ökologiepreis der Viktor-und-Sigrid-Dulger-Stiftung
-
349-351
Manfred-Fuchs-Preis
- 349-350 Julia Burkhardt: „Von Bienen lernen. Das Bonum universale de apibus des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf (Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar)“
- 350-351 Thomas Böttcher: „Virulenz krankheitserregender Bakterien, die Entwicklung neuer Antibiotika sowie die Untersuchung der chemischen Interaktionen zwischen Mikroorganismen“
-
II. Das WIN-Kolleg
- 352 Aufgaben und Ziele
- 353-354 Verzeichnis der WIN-Kollegiaten
-
355-385
Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
- 355-357 1. Analyzing, Measuring and Forecasting Financial Risks by means of High-Frequency Data
- 358-363 2. Das menschliche Spiegelneuronensystem: Wie erfassen wir, was wir nicht messen können?
- 363-364 3. Quantifizierung in Politik und Recht am Beispiel von Wirtschaftssanktionen
- 365-368 4. Europäischer Datenschutz und Datenaustausch: interdisziplinäre Bedingungen und internationale Implikationen
- 369-372 5. CAL²Lab – Eine rechtslinguistische Experimentierplattform
- 373-375 6. „Working Numbers“: Science and Contemporary Politics
- 376-379 7. Thermischer Komfort und Schmerz – Untersuchungen zur Dynamik der Schmerz- und Komfortwahrnehmung
- 380-382 8. Charakterisierung von durchströmten Gefäßen und der Hämodynamik mittels modell- und simulationsbasierter Fluss-MRI (CFD-MRI)
- 383-384 9. Zählen und Erzählen. Spielräume und Korrelationen quantitativer und qualitativer Welterschließung
- 385 10. Metaphern und Modelle – Zur Übersetzung von Wissen in Verstehen
-
386-402
Siebter Forschungsschwerpunkt „Wie entscheiden Kollektive?“
- 386-388 11. Heiligenleben: Erzählte Heiligkeit zwischen Individualentscheidung und kollektiver Anerkennung
- 389-392 12. How does group composition influence collective sensing and decision making?
- 393-396 13. Fake News and Collective Decision Making. Rapid Automated Assessment of Media Bias
- 397-399 14. Heterogeneity and Convergence in Shared Data Sources – The Importance of Cognitive Coherence in Collective Decision Making
- 400-402 15. Ein transdisziplinäres Modell zur Struktur- und Musterbildung kollektiven Entscheidens: Synergieeffekte zwischen linguistischen, biologischen und physikalischen Ansätzen
- 403-406 III. Das Akademie-Kolleg
-
IV. Akademiekonferenzen
-
I. Die Preisträger
- 415-440 E. Anhang
- 447-455 Personenregister
II. Wissenschaftliche Vorträge
zunächst in der Rezeption der englischen Sensualisten, vor allem aber auch durch
die Lektüre westeuropäischer Romane und Reisebeschreibungen.
Wie, so lautet meine zentrale Frage, hat sich der Umbruch im emotionalen
Repertoire in Russland im 18. und frühen 19. Jahrhundert auf die verschiedenen
Diskurse ausgewirkt? Welche Rolle spielte der Import der Gefühle für die Idee
des Imperiums, für die Zarenfamilie, in der Literatur und für die Dichter? In An-
lehnung an Richard Wortman, der sich mit den russischen „Szenarien der Macht“
befasst hat2 *, gehe ich der These nach, dass das imperiale Familienmodell in die
kleine Familie eingreift und dass die russischen Zaren - speziell Nikolaj I. - nicht
nur als pater patriae, sondern auch als pater familiae agieren. Das lässt sich an zwei
Fallbeispielen zeigen:
Erstens an der Beziehung zwischen dem Zaren und den Dichtern: Der Zar
band die Dichter emotional in seine imperiale Familie (Vasilij Zukovskij) oder sein
imperiales Projekt (Aleksandr Puskin) ein oder aber er versuchte, sie dorthin zu-
rück zu holen (Petr Caadaev).
Zweitens griff der Zar in ,defekte4 Familien ein, in denen das eigentliche Fa-
milienoberhaupt fehlte, wie im Falle der Dekabristenfamilien. Allerdings gelang
ihm das nur bedingt, denn viele Dekabristenfrauen widersetzten sich dem Zaren
und ließen sich nicht in die ,große Familie4 einbinden; sie folgten ihren Männern
nach Sibirien und bildeten eine neue, alternative Familie als Gemeinschaft von
Frauen.
Mit den Dichtern, mit Caadaev und den Dekabristenfamilien ist das Thema
nur angerissen und man könnte weitere Aspekte in den Blick nehmen: So ließe
sich das Eingreifen des Zaren als „Vater (oder Mutter) des Vaterlandes“ in den Be-
reich der Erziehung untersuchen, wie in das Kadettenkorps unter Katharina II.
oder in die Universitäten unter Nikolaj I. - beide Institutionen hatten die Aufgabe,
die Jungen für den Staatsdienst zu disziplinieren. Anschließen ließe sich auch die
Frage nach alternativen Familienmodellen, die sich jenseits des Imperialen entwi-
ckelt haben - in Form von Salons, intellektuellen Zirkeln und Gcheimbünden, die
zum Beispiel Alexander Herzen in seinen Memoiren Byloe i dumnoe (Gedachtes und
Erlebtes) von 1857 beschreibt, als das imperiale Familienmodell schon nicht mehr
wirksam war.
2 Richard Wortman, Scenarios of Power Myth and Ceremony in Russian Monarchy from Peter
the Great to the Abdication of Nicholas II. Princeton 2006.
50
zunächst in der Rezeption der englischen Sensualisten, vor allem aber auch durch
die Lektüre westeuropäischer Romane und Reisebeschreibungen.
Wie, so lautet meine zentrale Frage, hat sich der Umbruch im emotionalen
Repertoire in Russland im 18. und frühen 19. Jahrhundert auf die verschiedenen
Diskurse ausgewirkt? Welche Rolle spielte der Import der Gefühle für die Idee
des Imperiums, für die Zarenfamilie, in der Literatur und für die Dichter? In An-
lehnung an Richard Wortman, der sich mit den russischen „Szenarien der Macht“
befasst hat2 *, gehe ich der These nach, dass das imperiale Familienmodell in die
kleine Familie eingreift und dass die russischen Zaren - speziell Nikolaj I. - nicht
nur als pater patriae, sondern auch als pater familiae agieren. Das lässt sich an zwei
Fallbeispielen zeigen:
Erstens an der Beziehung zwischen dem Zaren und den Dichtern: Der Zar
band die Dichter emotional in seine imperiale Familie (Vasilij Zukovskij) oder sein
imperiales Projekt (Aleksandr Puskin) ein oder aber er versuchte, sie dorthin zu-
rück zu holen (Petr Caadaev).
Zweitens griff der Zar in ,defekte4 Familien ein, in denen das eigentliche Fa-
milienoberhaupt fehlte, wie im Falle der Dekabristenfamilien. Allerdings gelang
ihm das nur bedingt, denn viele Dekabristenfrauen widersetzten sich dem Zaren
und ließen sich nicht in die ,große Familie4 einbinden; sie folgten ihren Männern
nach Sibirien und bildeten eine neue, alternative Familie als Gemeinschaft von
Frauen.
Mit den Dichtern, mit Caadaev und den Dekabristenfamilien ist das Thema
nur angerissen und man könnte weitere Aspekte in den Blick nehmen: So ließe
sich das Eingreifen des Zaren als „Vater (oder Mutter) des Vaterlandes“ in den Be-
reich der Erziehung untersuchen, wie in das Kadettenkorps unter Katharina II.
oder in die Universitäten unter Nikolaj I. - beide Institutionen hatten die Aufgabe,
die Jungen für den Staatsdienst zu disziplinieren. Anschließen ließe sich auch die
Frage nach alternativen Familienmodellen, die sich jenseits des Imperialen entwi-
ckelt haben - in Form von Salons, intellektuellen Zirkeln und Gcheimbünden, die
zum Beispiel Alexander Herzen in seinen Memoiren Byloe i dumnoe (Gedachtes und
Erlebtes) von 1857 beschreibt, als das imperiale Familienmodell schon nicht mehr
wirksam war.
2 Richard Wortman, Scenarios of Power Myth and Ceremony in Russian Monarchy from Peter
the Great to the Abdication of Nicholas II. Princeton 2006.
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