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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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A. Das akademische Jahr 2019
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III. Veranstaltungen
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Sellner, Julian: Rechtswege – Urteilswirkungen. Deutsch-Ungarischer Verfassungsdialog: Internationale Konferenz am 10. Mai 2019
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0113
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.Rechtswege - Urteilswirkungen. Deutsch-Ungarischer Verfassungsdialog'

der dialogischen Beziehung von Gerichten und Gesetzgeber heraus. Ähnlich ei-
ner Gesetzesnorm seien Leitsätze oft abstrakt formuliert, obwohl diese vom Ge-
richt fallbezogen entwickelt werden. Die Entwicklung der in ihnen formulierten
Entscheidungsnormen erfolge durch Auslegung des allgemeinen Rechts in Ori-
entierung an den Umständen des konkreten Streitfalls. Das Richterrecht erfahre
besonders da wichtige Bedeutung, wo das Gesetzesrecht dem Gericht große Ent-
scheidungsspielräume gebe. Fehle in einem konkreten Streitfall gar überhaupt ein
einschlägiges Gesetz, seien Gerichte dazu angehalten, ihre Entscheidung ganz auf
den Einzelfall zu konzentrieren.
Stehe das Richterrecht nicht im Einklang mit den Intentionen des Gesetzge-
bers, so könne dieser durch Erlass eines konkrete(re)n Gesetzes das Richterrecht
korrigieren. Auch dadurch gewinne das Richterrecht indirekt an Legitimität. Das
Fehlen einer dialogischen Struktur zwischen Gesetzgeber und Gerichten führe
hingegen zu einer Einbuße an Legitimität des Richterrechts.
In prozessualer Hinsicht stellten Leitsätze Antworten auf gestellte Fragen dar.
Rechtsfortbildung sei die zentrale Aufgabe der Höchstgerichte, sowohl wenn sie
als Rechtsklärungs- als auch als Rechtsmittelgerichte auftreten. Die Rechtsfort-
bildung werde typischerweise durch Rechtsfragen provoziert, die dem Höchstge-
richt durch vorinstanzliche Gerichte unterbreitet werden. Dieses antworte dann
in Form von Leitsätzen. Für dieses Frage-Antwort-Schema sei das jeweilige Pro-
zessrecht maßgeblich, beispielsweise in Form des Vorabentscheidungsverfahrens
zu Auslegungsfragen vor dem EuGH oder in Form des Zugangsfilters der Revi-
sion, deren Zulassung eine allgemein klärungsbedürftige Rechtsfrage voraussetzt.
Leitsätze entfalteten selbst keine unmittelbare normative Wirkung, würden jedoch
rechtliche Relevanz erfahren, indem sie die Rechtsprechungslinie formulierten.
Wichen nämlich Instanzgerichte von dieser ab, müssten sie ein Rechtsmittel gegen
ihr Urteil zulassen. Dies ermögliche dem Höchstgericht die kritische Überprü-
fung der eigenen Rechtsprechungslinie. In dieser Hinsicht habe der Leitsatz eine
rechtsprechungsstabilisierende Wirkung.
In praktischer Hinsicht konstatierte der Referent einen Verlust der Leitfunk-
tion der Leitsätze, welcher mit der oftmals auftretenden Inkongruenz zwischen
Entscheidungsnorm und Leitsatz, sowie der Formulierung unverständlicher,
ausufernder Leitsätze und dem Zuwachs nicht-amtlicher Leitsätze Zusammen-
hänge.
Im Anschluss griffen Dr. Kinga Zakariäs, LL.M. (wissenschaftliche Mitar-
beiterin am Verfassungsgericht) und Paul Huber (wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Universität Bayreuth) das vorstehende Thema auf. Dr. Zakariäs legte dar,
dass das Rechtsinstitut der verfassungsmäßigen Erfordernisse im engeren Sinne
ein Funktionsäquivalent zu den in der Praxis des ungarischen Verfassungsgerichts
nichtexistierenden Leitsätzen darstellte. Diese seien einer von drei Teilen des Te-
nors und stellten die Kernpunkte der Entscheidung gebündelt dar.

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