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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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A. Das akademische Jahr 2019
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III. Veranstaltungen
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Halfwassen, Jens: Laudatio auf Rudolf G. Wagner
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0148
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III. Veranstaltungen

faszinierend ist. Die Grundlage der gesamten Wirklichkeit findet Wang Bi in der
Bipolarität von Einheit und Vielheit, auf die er auch die Komplementarität von
Yin und Yang zurückführt, ebenso die Komplementarität der Gegensätze über-
haupt. Einheit und Vielheit aber stehen für Wang Bi in einem asymmetrischen
Verhältnis zueinander: es ist das Eine, das die Vielheit nicht nur begründet, son-
dern ihr erst Bestand, Struktur, Ordnung und damit auch Erkennbarkeit verleiht,
indem es sie vereinheitlicht; denn ohne Einheit wäre die Vielheit gar nichts. Das
Eine und das Viele sind darum keine gleich-ursprünglichen Prinzipien, sondern
das Eine allein ist der Urgrund, der das Viele allererst seiend und erkennbar
macht, indem er ihm Einheit verleiht; das Eine ist so Ursprung und Quelle allen
Seins, aller Ordnung und aller Erkennbarkeit. Diese allgemeine Seinsstruktur
wiederholt sich in jedem besonderen Bereich der Wirklichkeit, der seine Ord-
nung und Struktur in gleicher Weise dem asymmetrischen Verhältnis von Ein-
heit und Vielheit verdankt. Dies gilt für die Sprache ebenso wie für die Ordnung
des menschlichen Zusammenlebens, die Ordnung des Politischen. Für Wang
Bi und Laotse, wenn Wang Bi ihn richtig interpretiert, woran ich nicht zweifle,
bildet die richtige und gute Ordnung des Politischen also die Ordnung des Seins
insgesamt ab, genau wie für Platon; die metaphysische Ordnung übersetzt sich
in die Ordnung des Politischen. In jedem Bereich der Wirklichkeit gibt es also
einen Einheitsgrund, der diesem Bereich Struktur, Ordnung und Erkennbarkeit
verleiht. Laotse nennt das Tao und Wang Bi deutet Tao als grundgebende Einheit.
Tao ist ordnend und strukturierend in jeder Wirklichkeit anwesend und wirksam;
aber dabei vermischt es sich nicht mit der Vielheit und wird nicht selber Vieles,
sondern es bleibt Einheit. Neben und über dem immanenten Tao in jeden Wirk-
lichkeitsbereich, gibt es das universale oder „große“ Tao - den Einheitsgrund der
Wirklichkeit im Ganzen. Laotse nennt es das „ewige Tao“, das er auch als das
„Namenlose“ bezeichnet. Laotse nennt das „große“ oder „ewige“ Tao „das Na-
menlose“, weil es anders als das immanente Tao nicht in die von ihm bestimmte
Wirklichkeit eingeht, sondern transzendent bleibt: „Ich kenne nicht seinen Na-
men. Bezeichne ich es, nenne ich es: Tao“, so Laotse. Es begründet alles Sein,
ist selbst aber Nichtsein: „Alle Wesen entstehen aus dem Sein, das Sein entsteht
aus dem Nichtsein“ ; aber dieses Nichtsein ist kein Mangel, sondern Übersein,
Transzendenz. Laotse nennt das absolute Tao „leer“, „undurchdringlich, dunkel“
- denn es hat keine Bestimmungen und keine bestimmbaren Eigenschaften wie
das benennbare Tao in den Dingen, in dem es sich manifestiert. Weil sich der
Urgrund in allem Wirklichen manifestiert, auch und besonders in allen Gegen-
sätzen und ihrem komplementären Verhältnis, durch das sie eine Einheit bilden,
kann er selbst niemals auf eine Seite festgelegt werden, sondern bleibt immer
übergegensätzlich jenseits der Gegensätze. Weil nun alles Bestimmte dadurch
bestimmt ist, dass es anderes von sich ausschließt und so einen Gegensatz hat,
bleibt das absolute Tao immer bestimmungslos, jenseits aller Bestimmungen und

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