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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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A. Das akademische Jahr 2019
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III. Veranstaltungen
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Mittler, Barbara: Rudolf G. Wagner: ein Leben mit der Sinologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0158
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III. Veranstaltungen

überhaupt erst eingerichtet wurden. Es ist unter anderem Rudolf G. Wagner zu
verdanken, dass diese Haltung an der Universität Heidelberg und darüber hinaus
inzwischen tief verwurzelt ist.
Als einer der vielseitigsten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Sinologie,
der in China und auf der ganzen Welt für seine Produktivität und sein enormes
Wissen bekannt war, wurde Rudolf G. Wagner vielfach geehrt: Er war Leibniz-
Preisträger und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Er gewann
zahlreiche Fellowships, so am Berliner Wissenschaftskolleg, an der Academia Sini-
ca in Taiwan, an der Fudan Universität und der Akademie für Sozialwissenschaften
in Shanghai (wo er 1996 zum Außerordentlichen Professor ernannt wurde), und,
nicht zuletzt, an der Peking Universität - dem Harvard Chinas.
Rudolf Wagners akademische Laufbahn begann in der klassischen Sinologie,
aber sofort mit einer transkulturellen Frage, mit einer Arbeit über die Transfor-
mation des Buddhismus in China. Seine Dissertation Fragen Shi Huiyuans an Ku-
marajiva (München 1969) beschäftigt sich mit einer schillernden transkulturellen
Figur, dem ersten Übersetzer buddhistischer Schriften aus dem Sanskrit ins Chi-
nesische. Rudolf G. Wagners nächste große Forschungsleistung-viele Jahre später
in drei dicken Bänden veröffentlicht und von Herrn Halfwassen schon ausführlich
diskutiert — geht dem berühmtesten und exzentrischsten der chinesischen Kom-
mentatoren Laozis Wang Bi ZE'jS'j (226—249), nach. Wagner rekonstruiert
hier Wangs Laozi-Text und veranschaulicht sein Handwerk als wissenschaftlicher
Kommentator, der selbst auch Philosoph ist, indem er Wangs Werk in den Kon-
text konkurrierender Kommentare stellt. Er zeigt, wie Laozi auf viele verschiedene
Arten gelesen wurde und wie Wang Bi nun versucht, den Laozi nur noch aus dem
Text selbst heraus zu lesen, ohne dem Text seine eigene Agenda aufzuzwingen.
In seiner nächsten großen Monographie Reenacting the Heavenly Vision: The Role
of Religion in the Taiping Rebellion (Berkeley 1984) übernimmt Ruodlf Wagner eine
Gruppe chinesischer Rebellen, die nach einer Heilslehre, die von protestantischen
Missionaren nach China gebracht wurde, ihre eigene Vision von China als König-
reich Gottes geschaffen hatten. HongXiuquan (1814—1864), ihr Anfüh-
rer, betrachtet sich selbst als jüngeren Bruder Jesu. Diese Vision war so erfolgreich,
dass sie die Qing-Regierung, die bereits durch die Opiumkriege gegen die West-
mächte erschüttert wurde, mehrere Jahre lang deutlich schwächte. Wagners Lesart
bleibt bis heute innovativ: Indem sie die Aufklärungserfahrung von Hong Xiuqian
in den Vordergrund rückt, ermöglicht sie es dem Leser, direkt in den geistigen
Rahmen der damaligen Akteure einzutauchen.
Auf dieses bemerkenswerte Buch folgten eine Reihe von Monographien und
Sammelbänden über chinesische Literatur in der Volksrepublik China (darunter
The Contemporary Chinese Historical Drama: Vier Studien. University of California
Press, Berkeley, 1990 und Inside a Service Trade. Studies in Contemporary Chinese Prose
Cambridge. Masse. 1992). Auch diese Bücher (und viele der sie begleitende Auf-

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