B. Die Mitglieder
Cicero. In der Oberstufe bildeten wir eine kleine Gruppe von Schülern, die nach
dem Großen Latinum weiterhin den Lateinkurs durchzog, um diese Texte lesen,
interpretieren und diskutieren zu dürfen. Im Religionskurs dehnten wir unsere
philosophischen Diskussionen über weitere Stunden aus. Nach der Schule trafen
wir uns in der katholischen Pfarrgemeinde und führten hier unsere Dispute nicht
selten bis tief in die Nacht weiter. Meine Eltern waren darüber meist nicht ganz so
begeistert! Prägend wurde in dieser Zeit die Jugend- und Gemeindearbeit. Zum
Glück hatten wir einen sehr aufgeschlossenen jungen Pfarrer. So durfte ich Mi-
nistrantin werden, Lesungen halten, Bibelkreise gestalten, Jugendgruppen leiten,
nach Taize fahren und aktives Mitglied des Pfarrgemeinderats werden. Diese fand
ein jähes Ende, als unser Pfarrer wegen seiner zu fortschrittlichen Einstellungen
aus der Gemeinde vergrault wurde und seinen Pfarrberuf aufgab. Das endgültige
Ende meines kirchlichen Engagements kam mit einem einschneidenden Erlebnis
bei einem Gespräch der KA-er Jugendvertreter mit unserem Erzbischof: Auf mei-
ne Frage, ob die katholische Kirche sich vorstellen könnte, einmal auch Frauen
Führungsaufgaben zu übertragen, meinte er nur: „In der katholischen Kirche kann
jeder wichtige Aufgaben übernehmen, der die Fähigkeiten dazu mitbringt. Frauen
haben diese leider nicht.“
Zu Ende der Schulzeit war mir eigentlich zu 100 % klar, dass ich Mathe-
matik studieren wollte. Nur das genaue Ziel des Studiums und das Berufsbild
erschien mir noch unklar: Ist es eine Wissenschaft ohne Anwendung? Am „Uni-
tag für Einsteiger“ wählte ich spontan die Führung bei den Chemieingenieuren.
Das Wort beinhaltete die Chemie — meinen zweiten Leistungskurs, den ich mit
Spaß besuchte - und etwas, was mir nichts sagte. Also konnte es nur interessant
werden. Und das wurde es auch: Ich bekam von Prof Stahl, dem späteren Core-
ferenten meiner Dissertation, eine engagierte Führung durch das Technikum der
Mechanischen Verfahrenstechnik. Und innerhalb dieser wenigen Stunden war
mir klar: Das musst Du studieren. War es doch Mathematik an einer Anwendung
- das also, was ich suchte. Stolz verkündete ich es meinem Vater bei einem Spa-
ziergang und bekam den Schock meines Lebens, als er trocken meinte: Ein Inge-
nieurstudium ist nichts für Frauen! Es wäre ja nett, wenn Hausfrauen die Physik
des Ofens verstehen, aber echte Technik würde mich überfordern. Und das von
einem Vater, der immer mich, statt meiner Brüder, für die Hausreparaturen und
Elektroarbeiten eingesetzt hatte! Ich war so wütend, dass ich jegliche Diskussion
einstellte und mich einfach für diesen Studiengang einschrieb.
Etwas entsetzt war ich dann doch vom trockenen Studium der Technischen
Mechanik und den vielen Chemiepraktika. Die Inhalte der Mathevorlesungen
erschienen mir eher als langweilig. Und wo waren die versprochenen Anwen-
dungen der Mathematik? Nach zwei Semestern hatte ich immer noch kein Tech-
nikum auch nur von der Ferne gesehen. Dafür gab es übervolle Vorlesungen
mit mehreren hundert anderen männlichen Studierenden, die nichts anderes im
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Cicero. In der Oberstufe bildeten wir eine kleine Gruppe von Schülern, die nach
dem Großen Latinum weiterhin den Lateinkurs durchzog, um diese Texte lesen,
interpretieren und diskutieren zu dürfen. Im Religionskurs dehnten wir unsere
philosophischen Diskussionen über weitere Stunden aus. Nach der Schule trafen
wir uns in der katholischen Pfarrgemeinde und führten hier unsere Dispute nicht
selten bis tief in die Nacht weiter. Meine Eltern waren darüber meist nicht ganz so
begeistert! Prägend wurde in dieser Zeit die Jugend- und Gemeindearbeit. Zum
Glück hatten wir einen sehr aufgeschlossenen jungen Pfarrer. So durfte ich Mi-
nistrantin werden, Lesungen halten, Bibelkreise gestalten, Jugendgruppen leiten,
nach Taize fahren und aktives Mitglied des Pfarrgemeinderats werden. Diese fand
ein jähes Ende, als unser Pfarrer wegen seiner zu fortschrittlichen Einstellungen
aus der Gemeinde vergrault wurde und seinen Pfarrberuf aufgab. Das endgültige
Ende meines kirchlichen Engagements kam mit einem einschneidenden Erlebnis
bei einem Gespräch der KA-er Jugendvertreter mit unserem Erzbischof: Auf mei-
ne Frage, ob die katholische Kirche sich vorstellen könnte, einmal auch Frauen
Führungsaufgaben zu übertragen, meinte er nur: „In der katholischen Kirche kann
jeder wichtige Aufgaben übernehmen, der die Fähigkeiten dazu mitbringt. Frauen
haben diese leider nicht.“
Zu Ende der Schulzeit war mir eigentlich zu 100 % klar, dass ich Mathe-
matik studieren wollte. Nur das genaue Ziel des Studiums und das Berufsbild
erschien mir noch unklar: Ist es eine Wissenschaft ohne Anwendung? Am „Uni-
tag für Einsteiger“ wählte ich spontan die Führung bei den Chemieingenieuren.
Das Wort beinhaltete die Chemie — meinen zweiten Leistungskurs, den ich mit
Spaß besuchte - und etwas, was mir nichts sagte. Also konnte es nur interessant
werden. Und das wurde es auch: Ich bekam von Prof Stahl, dem späteren Core-
ferenten meiner Dissertation, eine engagierte Führung durch das Technikum der
Mechanischen Verfahrenstechnik. Und innerhalb dieser wenigen Stunden war
mir klar: Das musst Du studieren. War es doch Mathematik an einer Anwendung
- das also, was ich suchte. Stolz verkündete ich es meinem Vater bei einem Spa-
ziergang und bekam den Schock meines Lebens, als er trocken meinte: Ein Inge-
nieurstudium ist nichts für Frauen! Es wäre ja nett, wenn Hausfrauen die Physik
des Ofens verstehen, aber echte Technik würde mich überfordern. Und das von
einem Vater, der immer mich, statt meiner Brüder, für die Hausreparaturen und
Elektroarbeiten eingesetzt hatte! Ich war so wütend, dass ich jegliche Diskussion
einstellte und mich einfach für diesen Studiengang einschrieb.
Etwas entsetzt war ich dann doch vom trockenen Studium der Technischen
Mechanik und den vielen Chemiepraktika. Die Inhalte der Mathevorlesungen
erschienen mir eher als langweilig. Und wo waren die versprochenen Anwen-
dungen der Mathematik? Nach zwei Semestern hatte ich immer noch kein Tech-
nikum auch nur von der Ferne gesehen. Dafür gab es übervolle Vorlesungen
mit mehreren hundert anderen männlichen Studierenden, die nichts anderes im
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