Antrittsrede von Heike Karbstein
In den Betrieben der BASF machte ich aber auch andere interessante Erfah-
rungen: Es gab z. B. nur zwei Typen von Betriebsleitern. Die einen fraßen mir aus
der Hand und machten vor Begeisterung, mit einer Ingenieurin Zusammenarbei-
ten zu dürfen, fast alles, was ich vorschlug. Leider hörten sie aber selten inhaltlich
zu und vergaßen z. B. wichtige Informationen. Die anderen wollten mit mir prinzi-
piell nicht fachlich diskutieren, sondern darüber, warum Frauen wider ihre Natur
leben müssen und wann ich denn eine Familie zu gründen gedenke. Zum Glück
überwiegten die positiven Erfahrungen und ich lernte schnell, immer eine spontan
Lacher hervorrufende Bemerkung parat zu haben. Bösartige Zungen behaupten,
ich hätte einen kritischen Fall mittels eines schnell gesetzten, gezielten Schlags mit
der Zeitung perfekt in den Griff bekommen. Der entsprechende Kollege erzählt
die Story übrigens heute noch neuen Kolleginnen mit einem Lächeln.
Leider belegte mich mein Chef mit zu vielen zu unterschiedlichen Aufgaben.
Ich konnte Problemen nicht ordentlich nachgehen und litt unter der Verzettelung.
Daher wechselte ich nach drei Jahren zu Nestle und zog nach Yverdon am Lac de
Neuchatel. Zäh waren allerdings die Verhandlungen um das Gehalt: Man addierte
meinen Gehaltswunsch zum Gehalt meines Mannes und befand die Summe als zu
hoch! Zu zweit würden wir dann ja mehr als unser Chef verdienen.
Der Standort bedeutete zunächst: schnell Schulfranzösischkenntnisse auf-
frischen. Zwei Wochen Intensivkurs in Lausanne und drei Monate abendlicher
Einzelunterricht nach der Arbeit schafften es, mich auf das Niveau zu bringen,
Labor- und Technikumsarbeit sowie Alltagsleben auf Französisch zu meistern.
Es zeigte sich, dass dies alleine nicht half. Ich war in einer Arbeitsgruppe, die in
allen Bedeutungen ,keine gemeinsame Sprache sprach4: weder inhaltlich (keiner
hatte die gleiche Ausbildung), noch kulturell (wir kamen aus fünf verschiedenen
Kontinenten) oder sprachlich: Wir mussten uns in jeder Besprechung die Inhal-
te gegenseitig übersetzen und sprangen wild zwischen Englisch, Französisch und
Spanisch hin und her. Und das mir als der „sprachunbegabtesten Schülerin des
Gymnasiums“! Ich war kurz davor, meiner damaligen Lehrerin ein paar Aufnah-
men zu schicken, denn es machte - nach Überwinden der Blockaden in meinem
Hirn — richtig Spaß. Der Chilene dachte zudem ganz anders als der Inder und
brauchte andere Argumente. Der Mikrobiologe verstand weder meine Proble-
me mit der Wärmebilanz beim Scale-up, noch wollte er sich in die Chemie der
Maillard-Reaktion hineindenken. Dafür war er für die Ausarbeitung von Quali-
tätssicherungsprotokollen ein unerlässlicher Partner. Diese interkulturellen und
interdisziplinären Erfahrungen zählen zu meinen intensivsten Lernerlebnissen aus
dieser Zeit.
In meinem ersten Projekt war ich für die Entwicklung eines energiesparenden
Prozesses zur Herstellung von Instant-Babybrei zuständig. Hier galt es zunächst
zu verstehen, welche chemischen und physikalischen Vorgänge im Prozess ablau-
fen müssen, damit Menschen, v. a. Säuglinge, gemahlenes Getreide nach einfa-
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In den Betrieben der BASF machte ich aber auch andere interessante Erfah-
rungen: Es gab z. B. nur zwei Typen von Betriebsleitern. Die einen fraßen mir aus
der Hand und machten vor Begeisterung, mit einer Ingenieurin Zusammenarbei-
ten zu dürfen, fast alles, was ich vorschlug. Leider hörten sie aber selten inhaltlich
zu und vergaßen z. B. wichtige Informationen. Die anderen wollten mit mir prinzi-
piell nicht fachlich diskutieren, sondern darüber, warum Frauen wider ihre Natur
leben müssen und wann ich denn eine Familie zu gründen gedenke. Zum Glück
überwiegten die positiven Erfahrungen und ich lernte schnell, immer eine spontan
Lacher hervorrufende Bemerkung parat zu haben. Bösartige Zungen behaupten,
ich hätte einen kritischen Fall mittels eines schnell gesetzten, gezielten Schlags mit
der Zeitung perfekt in den Griff bekommen. Der entsprechende Kollege erzählt
die Story übrigens heute noch neuen Kolleginnen mit einem Lächeln.
Leider belegte mich mein Chef mit zu vielen zu unterschiedlichen Aufgaben.
Ich konnte Problemen nicht ordentlich nachgehen und litt unter der Verzettelung.
Daher wechselte ich nach drei Jahren zu Nestle und zog nach Yverdon am Lac de
Neuchatel. Zäh waren allerdings die Verhandlungen um das Gehalt: Man addierte
meinen Gehaltswunsch zum Gehalt meines Mannes und befand die Summe als zu
hoch! Zu zweit würden wir dann ja mehr als unser Chef verdienen.
Der Standort bedeutete zunächst: schnell Schulfranzösischkenntnisse auf-
frischen. Zwei Wochen Intensivkurs in Lausanne und drei Monate abendlicher
Einzelunterricht nach der Arbeit schafften es, mich auf das Niveau zu bringen,
Labor- und Technikumsarbeit sowie Alltagsleben auf Französisch zu meistern.
Es zeigte sich, dass dies alleine nicht half. Ich war in einer Arbeitsgruppe, die in
allen Bedeutungen ,keine gemeinsame Sprache sprach4: weder inhaltlich (keiner
hatte die gleiche Ausbildung), noch kulturell (wir kamen aus fünf verschiedenen
Kontinenten) oder sprachlich: Wir mussten uns in jeder Besprechung die Inhal-
te gegenseitig übersetzen und sprangen wild zwischen Englisch, Französisch und
Spanisch hin und her. Und das mir als der „sprachunbegabtesten Schülerin des
Gymnasiums“! Ich war kurz davor, meiner damaligen Lehrerin ein paar Aufnah-
men zu schicken, denn es machte - nach Überwinden der Blockaden in meinem
Hirn — richtig Spaß. Der Chilene dachte zudem ganz anders als der Inder und
brauchte andere Argumente. Der Mikrobiologe verstand weder meine Proble-
me mit der Wärmebilanz beim Scale-up, noch wollte er sich in die Chemie der
Maillard-Reaktion hineindenken. Dafür war er für die Ausarbeitung von Quali-
tätssicherungsprotokollen ein unerlässlicher Partner. Diese interkulturellen und
interdisziplinären Erfahrungen zählen zu meinen intensivsten Lernerlebnissen aus
dieser Zeit.
In meinem ersten Projekt war ich für die Entwicklung eines energiesparenden
Prozesses zur Herstellung von Instant-Babybrei zuständig. Hier galt es zunächst
zu verstehen, welche chemischen und physikalischen Vorgänge im Prozess ablau-
fen müssen, damit Menschen, v. a. Säuglinge, gemahlenes Getreide nach einfa-
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