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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Ewald Frie
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B. Die Mitglieder

Ewald Frie
Antrittsrede vom 26. Oktober 2019

Meine sehr geehrten Damen und
Herren,
ich danke Ihnen allen sehr herzlich
dafür, mich in Ihren Kreis aufgenom-
men zu haben. Das mit der Aufnahme
verbundene und heute zu absolvieren-
de Ritual würde der Trierer Soziologe
Alois Hahn in seine Gruppe der „Bio-
graphiegeneratoren“ einordnen. Nun,
die Situation hat eine Biographie ge-
neriert. Ich verlese sie.
Geboren bin ich als neuntes von
elf Kindern einer katholischen Bau-
ernfamilie im Münsterland. Mein Va-
ter, Jahrgang 1910, musste von einer
empörten Nachbarin vom Feld geholt
werden, um meine Mutter gerade
noch rechtzeitig zur Entbindung ins
Krankenhaus zu bringen. Es sei gutes Wetter gewesen, rechtfertigte er sich später,
und der Weizen habe in die Erde gemusst. Mein Vater arbeitete hart, um die immer
größer werdende Familie durchzubringen und in seiner geliebten Rindviehzucht
erfolgreich zu sein. Sein Erfolg war am Sonntag sichtbar, wenn er nach der Heili-
gen Messe seinen Platz am Stammtisch bei Bauern nahm, die in der informellen
Hektarhierarchie weit über ihm angesiedelt waren. In Vornamen nicht textsicher,
rief mein Vater mich „Mester“, ironisch anspielend auf meine Lese- und Redelust
bei gleichzeitiger völliger Unbrauchbarkeit für praktische Tätigkeiten. Ich hat-
te Angst vor Tieren und würgte den Trecker ab. Dafür konnte ich weit vor der
Einschulung lesen und schreiben. Ich verschlang, was die katholische öffentliche
Bücherei hergab, weil es in unserem Haushalt nur eine Vitrine mit allerhand er-
baulicher Literatur und Bibelausgaben gab, außerdem das landwirtschaftliche Wo-
chenblatt und die Westfälischen Nachrichten. Lesen sollte beim Leben helfen und
niemanden von der Arbeit abhalten.
Meine Mutter, Jahrgang 1922, nannte mich beim Vornamen und schätzte
meinen Lesefanatismus höher. Sie hatte ihren Traum, Lehrerin zu werden, trotz
vielversprechender Noten nach der achten Klasse aufgeben müssen, weil ihr Vater,
ebenfalls Bauer und bis 1933 Zentrumsbürgermeister in einem kleinen westfäli-
schen Dorf, die Ausbildung von Töchtern für Geldverschwendung hielt. Meine


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