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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Hölscher, Tonio: Erika Simon (27.6.1927-15.2.2019)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0205
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Nachruf auf Erika Simon

men mit Roland Flampe verfassten Buch „Tausend Jahre Frühgriechische Kunst,
1600 — 600 v. Chr.“ (1980) haben die Autoren sich in erfrischender Weise von der
oft fundamentalistischen Kontroverse pro und contra „continuity“ frei gemacht,
indem sie unbefangen von der Tatsache ausgingen, dass Griechenland während
dieser Zeit kontinuierlich von Menschen besiedelt war, in einem Wechselspiel von
Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Das Buch ist ein seither kaum wiederholter
Versuch, diese kulturelle Brücke zu schlagen, ohne die Differenzen zu leugnen.
Seinerzeit nicht weniger provozierend, heute aber voll anerkannt, war ein wei-
terer Brückenschlag, eine ebenfalls zusammen mit Roland Hampe verfasste Un-
tersuchung „Griechische Sagen in der frühen etruskischen Kunst“ (1964). Auch
hier wendeten sie sich gegen ein klassizistisches Vorurteil: dass griechische Mythen
in der etruskischen Kunst lange Zeit ohne Verständnis als reine Bildchiffren über-
nommen und verfälscht worden seien. Ihr Nachweis, dass die Mythen und ihre
Bilder nicht nur früh aus Griechenland nach Etrurien gelangt sind, sondern dort
produktiv rezipiert und weitergebildet wurden, war ein entscheidender Schritt zu
einem Verständnis der etruskischen Kultur auf Augenhöhe mit Griechenland.
Nicht zuletzt hat Erika Simon immer wieder die Linien der Tradition von der
Antike bis in die neuere Kunst gezogen. Eine große Untersuchung über „Nonnos
und das Elfenbeinkästchen aus Veroli“ (1964) ist ein Markstein der byzantinischen
Kunstgeschichte. Mit Studien über das humanistische Programm der Relief-
medaillons des Palazzo Medici in Florenz (1965), über „Dürer und Mantegna“
(1972), über die Allegorien von Giovanni Battista Tiepolo im Treppenhaus der
Würzburger Residenz (1971) und über das klassizistische Pompejanum in ihrer
Heimatstadt Aschaffenburg (1979) hat sie hohe Anerkennung unter Kunsthistori-
kern gefunden. Dabei steht sie in ihrer Art der Interpretation besonders der Iko-
nologie von Erwin Panofsky nahe, den sie seit einem Aufenthalt in Princeton hoch
verehrte.
Alle Arbeiten Erika Simons haben letzten Endes die gesamte Lcbenskultur der
Antike im Blick, für die sie alle verfügbaren Zeugnisse heranzog: neben den Bild-
werken, den Gegenständen der materiellen Kultur und den Grabungsstätten vor
allem auch die Quellen der Literatur. Die griechischen und lateinischen Autoren
kannte sie wie wenige andere. Sie war sich sehr wohl der Unterschiede der Me-
dien bewusst, aber sie sah keinen Sinn in theoretischer Isolation von Bildern und
Texten, sondern führte sie in Aufsätzen über „Vergil und die Bildkunst“ (1982) und
„Horaz und die Bildkunst seiner Zeit“ (1994) zusammen, wie auch die antiken
Menschen sie zusammen im Blick hatten. Besonders prägend war dieser Ansatz in
ihrem Buch „Pergamon und Hesiod“ (1975): Hier stellte sie den Kampf der Göt-
ter und Giganten am Großen Altar von Pergamon in einen weiten Horizont von
religiösen Konzepten, die nicht nur von dem archaischen Dichter geprägt waren,
sondern auch von der hellenistischen Philosophie der Stoiker, die am pergameni-
schen Königshof eine berühmte Schule bildeten.

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