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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Jahresfeier am 9. Juni 2007
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Wolgast, Eike: Pax optima rerum: Theorie und Praxis des Friedensschlusses in der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0029
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JAHRESFEIER

Der Westfälische Frieden beendete einen Staaten- und einen Religionskrieg.
Mindestens propagandistisch hatte die konfessionelle Komponente den ganzen Krieg
begleitet und fand ihren Niederschlag auch in zahlreichen Friedensbestimmungen.
Angesichts dieses Sachverhaltes ist es bemerkenswert, wie groß auch am Ende einer
durchgängigen, zutiefst separierend wirkenden Konfessionahsierung aller Lebensbe-
reiche der Vorrat an „konsensuellen Divinitätselementen“ (H. Duchhardt) noch war.
Unter Neutralisierung der Wahrheitsfrage und der dogmatischen Setzungen war das
Bewußtsein einer gemeinsamen ideologischen Basis, auf der gehandelt werden
konnte, offensichtlich erhalten geblieben. Die 1648 verwendeten Divinitätselemente
(trimtas, pax Christiana, numen divinum, respubhca Christiana, divina bonitas u.a.),
die keine Seite in ihrem Glauben diskriminierten, waren unbeschädigt durch das
konfessionelle Zeitalter hindurchgerettet worden und konnten nun dazu dienen, die
weltlichen Abmachungen durch eine transzendente Autorität abzusichern und unter
numinosen Schutz zu stellen. Zugleich bedeutete die Verwendung religiöser Formeln
eine stärkere moralische Selbstbindung als die Verpflichtung auf bloße Rechtssätze.
Daß mit der Zitation religiöser Formeln nicht einfach eine Tradition gedan-
kenlos weitergefiihrt wurde, zeigt der Bericht der kaiserlichen Gesandten 1643 an
Ferdinand III. über eine Unterredung mit dänischen Diplomaten, die damals noch
als Vermittler in Osnabrück tätig waren. In diesem Gespräch erklärte der dänische
Reichskanzler, daß sie „auf Erhandlung eines ehrbaren, sicheren und dem evangeli-
schen Wesen zum Besten angesehenen Frieden instruiert“ seien. Zur Genugtuung
der kaiserlichen Gesandten korrigierte er sich aber selbst: „auf einen ehrbaren, siche-
ren und des Heiligen Reiches Abschieden und Religions- und Profanfrieden (sc.
Augsburg 1555) gemäßen Frieden.“12
Wir wissen nicht, auf welche Vorbilder die Formulierungen des Westfälischen
Friedens konkret zurückbezogen waren. Bittner hat das neuzeitliche Friedensver-
tragsformular aus den „häufigen Friedensschlüssen zwischen England und Frank-
reich im 12. und 13. Jahrhundert“ hergeleitet13, Fisch ist bis in den alten Orient
zurückgegangen, um nachzuweisen, daß Amnestie und Oblivion schon von Anfang
an zum Friedensvertrag gehörten. Sieht man die großen Sammlungen der Friedens-
verträge durch, wie sie DuMont und Martens im 18. und 19. Jahrhundert vorgelegt
haben, so begegnet zum Beispiel eine markante Obhvionsformel 851 im Vertrag von
Meersen zwischen den Karolingern Lothar, Ludwig dem Deutschen und Karl dem
Kahlen.14 Hier ist von „abolitio“ aller früheren Taten die Rede; sie sollen aus dem
Herzen herausgerissen („avelli“) werden, damit sie nicht wieder in Erinnerung kom-
men („nec in memoriam ... veniat“). Das Vergessen wurde aber nur auf die Fürsten
erstreckt. Seit dem 14. Jahrhundert begegnet in Friedensverträgen die auch im West-
fälischen Frieden zu beobachtende Häufung von Synonymen für denselben Sach-

12 Acta Pacis Westphalicae Ser. II Abt. A Bd. 1,60.
13 Bittner, Lehre (wie Anm. 3), 182.
14 MGH Cap. Bd. 2, 72 Nr. 205.
 
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