9. Juni 2007
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klausel ließ erkennen, daß die Zeiten andere geworden waren. In den Friedensver-
trägen von Campo Formio mit dem Kaiser 1797 und von Amiens mit England 1802
wurde erstmals festgelegt, daß in den während des Krieges besetzten, nun aber
zurückgegebenen Gebieten sowie in den abgetretenen Gebieten niemand wegen
seiner politischen Meinung verfolgt werden durfte (Art. 16 bzw. 13) — damit war der
durch die Revolution mündig gewordene Bürger berücksichtigt. In Campo Formio
verpflichteten sich Österreich und Frankreich zudem darauf, nach Kräften dazu bei-
zutragen, daß die „innere Ruhe“ („tranquillite Interieure“) ihrer Staaten aufrechter-
halten blieb (Art. 14) — also ungestört durch deutsche Jakobiner oder französische
Royalisten. Nur im Frieden von Amiens 1802 begegneten nochmals die zwei Sepa-
ratartikel des 18. Jahrhunderts zur Sprachenfrage und zur Titelanerkennung.
Die Friedensverträge des Kaisers Napoleon, der in den Präambeln stets vor dem
österreichischen Kaiser bzw. dem russischen Zaren genannt wurde, ließen vom tradi-
tionellen Grundgerüst nur die „paix et amitie“ (im Frieden von Amiens zusätzlich „et
bonne Intelligence“) sowie den Austausch von Gefangenen und Geiseln übrig; eine
Amnestie, von Oblivion ganz zu schweigen, fehlte — außer in der indirekten Form der
Aufhebung von Besitzbeschlagnahmung und in der Form der Eigentumsrestitution.
Lediglich der Tilsiter Frieden zwischen Rußland und Frankreich sah 1807 eine
Amnestie vor; sie galt aber nur für die Bewohner der zwischen Rußland, Preußen und
dem neuerrichteten Herzogtum Warschau ausgetauschten Gebiete. Ferner wurde die
Restitution der von Napoleon abgesetzten Herzöge von Sachsen-Coburg, Oldenburg
und Mecklenburg-Schwerin vereinbart. Ausdrücklich ließ Napoleon festhalten, daß
er nur, um dem Zaren einen Beweis des Vertrauens und der Freundschaft zu geben,
auch dem König von Preußen einen Teil seines Territoriums zurückerstatte (Art. 10,
12, 4). Im Frieden von Schönbrunn 1809 versprach der Kaiser, sich für die Begnadi-
gung der am Tiroler Aufstand Beteiligten einzusetzen (Art. 10).
Erstmals wurde 1805 festgelegt, daß Archive, Pläne und Karten für abzutreten-
de Gebiete an die neuen Besitzer auszuliefern seien (Preßburger Frieden zwischen
Frankreich und Österreich, Art. 16); dieselbe Bestimmung wurde zwei Jahre später
im Tilsiter Frieden für Preußen wiederholt (Art. 26) und zieht sich seither bei
Gebietsabtretungen durch die Friedensverträge bis in unsere Tage. Ebenfalls erstmals
in neuzeitlichen Verträgen mußten die besiegten Staaten Österreich und Preußen
(Preßburg 1805, Tilsit 1807, Schönbrunn 1809) Kriegsentschädigungen zahlen,
deklariert als Ablösung von Kontributionen, die die französischen Armeen den von
ihnen besetzten Gebieten auferlegt hatten; außerdem wurde eine Heeresreduktion
verfügt. Insbesondere der Tilsiter Frieden mit Preußen dokumentierte, daß der Ver-
tragspartner nur noch nominell rechtsgleich war, seine Weiterexistenz jedoch eigent-
lich der Gnade des Siegers verdankte.
4. Die Verträge des 19. Jahrhunderts
Von den beiden Pariser Friedensschlüssen zwischen der Anti-Napoleon-Koalition
und dem restaurierten Königreich Frankreich versuchte der erste Frieden 1814
geradezu demonstrativ, über den Grabenbruch der Französischen Revolution hm-
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klausel ließ erkennen, daß die Zeiten andere geworden waren. In den Friedensver-
trägen von Campo Formio mit dem Kaiser 1797 und von Amiens mit England 1802
wurde erstmals festgelegt, daß in den während des Krieges besetzten, nun aber
zurückgegebenen Gebieten sowie in den abgetretenen Gebieten niemand wegen
seiner politischen Meinung verfolgt werden durfte (Art. 16 bzw. 13) — damit war der
durch die Revolution mündig gewordene Bürger berücksichtigt. In Campo Formio
verpflichteten sich Österreich und Frankreich zudem darauf, nach Kräften dazu bei-
zutragen, daß die „innere Ruhe“ („tranquillite Interieure“) ihrer Staaten aufrechter-
halten blieb (Art. 14) — also ungestört durch deutsche Jakobiner oder französische
Royalisten. Nur im Frieden von Amiens 1802 begegneten nochmals die zwei Sepa-
ratartikel des 18. Jahrhunderts zur Sprachenfrage und zur Titelanerkennung.
Die Friedensverträge des Kaisers Napoleon, der in den Präambeln stets vor dem
österreichischen Kaiser bzw. dem russischen Zaren genannt wurde, ließen vom tradi-
tionellen Grundgerüst nur die „paix et amitie“ (im Frieden von Amiens zusätzlich „et
bonne Intelligence“) sowie den Austausch von Gefangenen und Geiseln übrig; eine
Amnestie, von Oblivion ganz zu schweigen, fehlte — außer in der indirekten Form der
Aufhebung von Besitzbeschlagnahmung und in der Form der Eigentumsrestitution.
Lediglich der Tilsiter Frieden zwischen Rußland und Frankreich sah 1807 eine
Amnestie vor; sie galt aber nur für die Bewohner der zwischen Rußland, Preußen und
dem neuerrichteten Herzogtum Warschau ausgetauschten Gebiete. Ferner wurde die
Restitution der von Napoleon abgesetzten Herzöge von Sachsen-Coburg, Oldenburg
und Mecklenburg-Schwerin vereinbart. Ausdrücklich ließ Napoleon festhalten, daß
er nur, um dem Zaren einen Beweis des Vertrauens und der Freundschaft zu geben,
auch dem König von Preußen einen Teil seines Territoriums zurückerstatte (Art. 10,
12, 4). Im Frieden von Schönbrunn 1809 versprach der Kaiser, sich für die Begnadi-
gung der am Tiroler Aufstand Beteiligten einzusetzen (Art. 10).
Erstmals wurde 1805 festgelegt, daß Archive, Pläne und Karten für abzutreten-
de Gebiete an die neuen Besitzer auszuliefern seien (Preßburger Frieden zwischen
Frankreich und Österreich, Art. 16); dieselbe Bestimmung wurde zwei Jahre später
im Tilsiter Frieden für Preußen wiederholt (Art. 26) und zieht sich seither bei
Gebietsabtretungen durch die Friedensverträge bis in unsere Tage. Ebenfalls erstmals
in neuzeitlichen Verträgen mußten die besiegten Staaten Österreich und Preußen
(Preßburg 1805, Tilsit 1807, Schönbrunn 1809) Kriegsentschädigungen zahlen,
deklariert als Ablösung von Kontributionen, die die französischen Armeen den von
ihnen besetzten Gebieten auferlegt hatten; außerdem wurde eine Heeresreduktion
verfügt. Insbesondere der Tilsiter Frieden mit Preußen dokumentierte, daß der Ver-
tragspartner nur noch nominell rechtsgleich war, seine Weiterexistenz jedoch eigent-
lich der Gnade des Siegers verdankte.
4. Die Verträge des 19. Jahrhunderts
Von den beiden Pariser Friedensschlüssen zwischen der Anti-Napoleon-Koalition
und dem restaurierten Königreich Frankreich versuchte der erste Frieden 1814
geradezu demonstrativ, über den Grabenbruch der Französischen Revolution hm-