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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Jahresfeier am 9. Juni 2007
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Wolgast, Eike: Pax optima rerum: Theorie und Praxis des Friedensschlusses in der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0045
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JAHRESFEIER

Rumänien und Bulgarien 1943/44 das Bündnis mit Deutschland aufgekündigt und
sich am Krieg auf Seiten der Alliierten beteiligt hatten, Finnland wenigstens neutral
geblieben war. Wie 1919 sollte der Frieden auf den Prinzipien der Gerechtigkeit („in
conformity with the principles of justice“) beruhen. In denVerträgen fehlte die Frie-
densformel; stattdessen wurde nur das Ende des Kriegszustands konstatiert. Allerdings
wurde die bis in das 19. Jahrhundert üblich gewesene Versicherung hinzugefügt, daß
der Frieden die Voraussetzung für freundschaftliche Beziehungen schaffen solle. Die
Rechtsungleichheit der Vertragspartner wurde durch eine einseitige Amnestie doku-
mentiert (z. B. Italien Art. 16). Sie galt nur für Angehörige der besiegten Staaten, die
Sympathien mit der Sache der Alliierten gezeigt oder diese aktiv unterstützt hatten.
Dagegen waren Angehörige der Siegerstaaten, die ihre nationalen Rechte während
des Krieges durch Verrat und Kollaboration mit dem Feind verletzt hatten, auf Ver-
langen auszuliefern, ebenso Einheimische, die wegen Kriegsverbrechen oder - eine
neue Kategorie - wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt waren (Ita-
lien Art. 45).
Erstmals in der Geschichte der neuzeitlichen Friedensschlüsse wurde 1947
massiv in die inneren Angelegenheiten eines Vertragspartners eingegriffen. Die
besiegten Staaten mußten sich verpflichten, ihren Einwohnern „ohne Unterschied
von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religionszugehörigkeit“ die Menschenrechte
und Grundfreiheiten zu garantieren (Italien Art. 15). Außerdem mußten sie alle
faschistischen oder diesen entsprechenden Organisationen auflösen und die Bildung
neuer Organisationen verhindern, deren Ziel es war, „das Volk seiner demokratischen
Rechte zu berauben“ (Italien Art. 17). Was wirklich gemeint war, ging aus dem Ver-
trag mit Finnland hervor, in dem ausdrücklich verlangt wurde, Organisationen zu
unterdrücken, die „feindliche Propaganda gegen die Sowjetunion“ oder gegen ein
anderes Mitglied der Vereinten Nationen betrieben (Art. 8).
Die Verträge wurden außer in der Sprache des besiegten Staates in Russisch,
Englisch und Französisch abgefaßt; als authentisch galt aber nur der russische und der
englische Text (außer gegenüber Italien). Als Depositarmacht war für den italieni-
schen Vertrag Frankreich, für alle anderen Verträge die Sowjetunion benannt.
Die Verträge mit Japan (ohne die UdSSR) 1951 und mit Österreich 1955
waren zu weit vom Krieg entfernt, um noch Diskriminierungen größeren Ausmaßes
zuzulassen, zumal Österreich bestätigt bekam, erstes Opfer „Hitlerdeutschlands“
gewesen zu sein. Dennoch wurde auch in den österreichischen Staatsvertrag die
Menschenrechtsformel aufgenommen (Art. 6). Der „Vertrag über die abschließende
Regelung in Bezug auf Deutschland“ (2+4-Vertrag) von 1990 hatte mit der durch
die Jahrhunderte tradierten Form eines Friedensvertrags nichts mehr gemeinsam.36
Im Gegensatz zu den Friedensverträgen von 1947, aber wie beim österreichischen
Staatsvertrag war der deutsche Wortlaut dem englischen, französischen und russi-
schen gleichgestellt (Art. 10).

36 Vgl. Ingo von Münch (Hg.), Dokumente der Wiedervereinigung Deutschlands, Stuttgart 1991,
372-377.
 
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