26. Oktober 2007 | 101
tig abgegrenzter Stand, in den man nur durch eine förmliche Nobihtierung aufstei-
gen konnte, wie das für das späte 17. und das 18. Jahrhundert sehr viel eher galt. Oft
reichte es Land zu erwerben, einen alten Adelssitz zu kaufen, wie ein Edelmann zu
leben und die eigenen Kinder standesgemäß zu verheiraten, um zumindest im Laufe
von zwei oder drei Generationen in den Adel aufzusteigen. Wenn die Wirren einen
Bürgerkrieges aus Bürgern Krieger und Militärunternehmer machten, die überdies
in ihrem Streben nach einem sozialen Aufstieg hinter den Kulissen offizieller Stan-
desschranken durch den Zusammenbruch der rechtlichen Ordnung begünstigt wur-
den, wie in Frankreich nach 1562, beschleunigten sich solche Prozesse der sozialen
Mobilität noch. Natürlich kam es auch zu entsprechenden Abwehrreaktionen gera-
de zu Ausgang des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die verstärkte soziale
Mobilität wurde jedenfalls als Gefahr für die Identität des Adels als Stand empfun-
den, und in Ländern, die konfessionell gespalten waren wie Frankreich wurde diese
Gefahr noch verstärkt durch das Fehlen eines homogenen Wertesystems, an dem
man adliges Sozialprestige hätte messen können.
Eine neue Einheit konnte der Adel jedoch letztlich nur durch gemeinsame
kulturelle Lebensformen gewinnen, durch die er sich von Nicht-Adligen abgrenzte.
Dabei wurde der Hof mit seinen Normen zunehmend prägend für adlige Verhal-
tensformen; seit dem der Wende zum 17. Jahrhundert zunehmend auch nördlich der
Alpen. Wenn man nicht wirklich Zugang zum Hof hatte, so mußte man zumindest
doch den Habitus des Hofmannes oder der Hofdame besitzen, bis hin zu jener Läs-
sigkeit und nonchalance, die seit Castiglione als vornehmste Tugend des Höflings
galten.
Höfische Umgangsformen und Bildung wurden zunehmend zu einem wich-
tigen Distinktionsmerkmal, und zu dieser Bildung gehörte auch die Vertrautheit mit
der Kultur anderer Ländern, besonders Italiens und Frankreichs. Nicht zuletzt auf
Grund der weiten Verbreitung der Kavalierstour als Teil der Adelserziehung besaßen
zumindest wohlhabendere Adlige um 1600 und im frühen 17. Jahrhundert einen
Horizont, der deutlich über das engere regionale oder nationale Umfeld hinausging.
Kulturell und politisch auf einer europäischen Bühne agierend, konnten sie gewis-
sermaßen situationsbedingt zwischen unterschiedlichen Identitäten und damit auch
politischen Loyalitäten wählen. Sie konnten sich als Hüter regionaler und nationalen
Traditionen inszenieren, wie es die Führer des böhmischen Aufstandes von 1618
unabhängig von ihrer Herkunft taten, aber auch die Rolle des loyalen Amtsträgers
am Hof eines heterogenen dynastischen Großreiches spielen, wenn sie nicht als Ver-
treter einer kosmopolitischen Adelskultur auftraten, für die die dynastischen Staaten
und ihre Grenzen fast irrelevant waren.
Der Anpassungsfähigkeit an den politischen und kulturellen Wandel der Epoche
stand allerdings auf einer anderen Ebene ein deutlicher Traditionalismus gegenüber.
Dies ist etwa an der Rückbesinnung auf das Rittertum und seine Werte und das Ideal
des miles christianus bis hin zum Kreuzzugsgedanken zu erkennen. Der Verhaltens-
und Verständigungscode des Rittertums und der Ritterlichkeit war trotz des Nie-
dergangs etwa des Turniers keineswegs ganz obsolet geworden, in England etwa kam
es noch im späten 16. Jahrhundert zu einem „revival of chivalry“, dessen Nachwir-
tig abgegrenzter Stand, in den man nur durch eine förmliche Nobihtierung aufstei-
gen konnte, wie das für das späte 17. und das 18. Jahrhundert sehr viel eher galt. Oft
reichte es Land zu erwerben, einen alten Adelssitz zu kaufen, wie ein Edelmann zu
leben und die eigenen Kinder standesgemäß zu verheiraten, um zumindest im Laufe
von zwei oder drei Generationen in den Adel aufzusteigen. Wenn die Wirren einen
Bürgerkrieges aus Bürgern Krieger und Militärunternehmer machten, die überdies
in ihrem Streben nach einem sozialen Aufstieg hinter den Kulissen offizieller Stan-
desschranken durch den Zusammenbruch der rechtlichen Ordnung begünstigt wur-
den, wie in Frankreich nach 1562, beschleunigten sich solche Prozesse der sozialen
Mobilität noch. Natürlich kam es auch zu entsprechenden Abwehrreaktionen gera-
de zu Ausgang des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die verstärkte soziale
Mobilität wurde jedenfalls als Gefahr für die Identität des Adels als Stand empfun-
den, und in Ländern, die konfessionell gespalten waren wie Frankreich wurde diese
Gefahr noch verstärkt durch das Fehlen eines homogenen Wertesystems, an dem
man adliges Sozialprestige hätte messen können.
Eine neue Einheit konnte der Adel jedoch letztlich nur durch gemeinsame
kulturelle Lebensformen gewinnen, durch die er sich von Nicht-Adligen abgrenzte.
Dabei wurde der Hof mit seinen Normen zunehmend prägend für adlige Verhal-
tensformen; seit dem der Wende zum 17. Jahrhundert zunehmend auch nördlich der
Alpen. Wenn man nicht wirklich Zugang zum Hof hatte, so mußte man zumindest
doch den Habitus des Hofmannes oder der Hofdame besitzen, bis hin zu jener Läs-
sigkeit und nonchalance, die seit Castiglione als vornehmste Tugend des Höflings
galten.
Höfische Umgangsformen und Bildung wurden zunehmend zu einem wich-
tigen Distinktionsmerkmal, und zu dieser Bildung gehörte auch die Vertrautheit mit
der Kultur anderer Ländern, besonders Italiens und Frankreichs. Nicht zuletzt auf
Grund der weiten Verbreitung der Kavalierstour als Teil der Adelserziehung besaßen
zumindest wohlhabendere Adlige um 1600 und im frühen 17. Jahrhundert einen
Horizont, der deutlich über das engere regionale oder nationale Umfeld hinausging.
Kulturell und politisch auf einer europäischen Bühne agierend, konnten sie gewis-
sermaßen situationsbedingt zwischen unterschiedlichen Identitäten und damit auch
politischen Loyalitäten wählen. Sie konnten sich als Hüter regionaler und nationalen
Traditionen inszenieren, wie es die Führer des böhmischen Aufstandes von 1618
unabhängig von ihrer Herkunft taten, aber auch die Rolle des loyalen Amtsträgers
am Hof eines heterogenen dynastischen Großreiches spielen, wenn sie nicht als Ver-
treter einer kosmopolitischen Adelskultur auftraten, für die die dynastischen Staaten
und ihre Grenzen fast irrelevant waren.
Der Anpassungsfähigkeit an den politischen und kulturellen Wandel der Epoche
stand allerdings auf einer anderen Ebene ein deutlicher Traditionalismus gegenüber.
Dies ist etwa an der Rückbesinnung auf das Rittertum und seine Werte und das Ideal
des miles christianus bis hin zum Kreuzzugsgedanken zu erkennen. Der Verhaltens-
und Verständigungscode des Rittertums und der Ritterlichkeit war trotz des Nie-
dergangs etwa des Turniers keineswegs ganz obsolet geworden, in England etwa kam
es noch im späten 16. Jahrhundert zu einem „revival of chivalry“, dessen Nachwir-