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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Antrittsreden
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Maissen, Thomas: Antrittsrede vom 21. Juli 2007
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0136
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Thomas Maissen | 149

Nun war der Wechsel vom Mittelalter in die Frühe Neuzeit — die Jahrhunderte von
1500 bis 1800 — unvermeidlich. Ich hatte das Glück, in Hans Rudolf Guggisberg
einen Betreuer der Dissertation zu finden, der mich sehr selbständig im Ausland for-
schen ließ, aber alle dafür nötigen Stipendienanträge mit Nachdruck unterstützte —
dies insbesondere beim Schweizerischen Nationalfonds, bei dem über die Jahre hin-
weg die Unterschrift unter bewilligte Beiträge sehr oft „Rudolf Bolzern“ lautete.
Bei der Wahl des Dissertationsthemas waren für mich Italien und die Renaissance
schon gesetzt und damit ein Jahr in Neapel und Monate in Florenz und Venedig.
Doch meine Freundin und inzwischen Frau, Martina Bächli, studierte Französisch,
was mich bei der Themenwahl zu einer erfreulichen zusätzlichen Perspektive zwang:
Die französische Vergangenheit bei italienischen Autoren des 15. und 16. Jahrhunderts. Wir
gingen also, noblesse oblige, auch nach Paris. Ich fand heraus, dass die französischen
Könige sich um 1500 italienische Hofhistoriker hielten, um die eigene Geschichte
nach humanistischen Standards aufzurüsten und den Konkurrenten vorzuführen.
Andererseits benutzten die italienischen Denker der Staatsräson die französischen
Könige für den Nachweis, dass sich tadellose Katholizität und verschlagene, erfolg-
reiche Politik nicht ausschlossen.
Als die Doktorarbeit fertig war, 1993, fielen wichtige Entscheidungen. Wir
heirateten, und ich nahm eine Assistenz in Potsdam an, bei der frisch dorthin beru-
fenen Luise Schorn-Schütte. Sie und ich kannten uns kaum, freuten uns aber beide
auf die Herausforderung, im unbekannten Osten Neues aufzubauen und dabei
noch den real existierenden Sozialismus in seinen Überresten zu erkunden. Als
unser Sohn Lucas zur Welt kam, war für meine Frau eigentlich auch klar, dass sie
ihre Stelle an der ETH Zürich aufgeben und nach Potsdam auswandern würde.
Frau Schorn-Schüttes guter Rat war allerdings beinahe ein Befehl: „Wegen der
befristeten Stelle eines Mannes darf eine Frau ihre unbefristete Stelle nie aufgeben.“
Mein daraufhin angetretener Erziehungsurlaub entpuppte sich als Heimkehr in die
Schweiz, nach Zürich, wo ich mich einer Habilitation über das bürgerliche Selbst-
verständnis in Zürich, Genf, Hamburg und Köln während der Frühen Neuzeit zu
widmen begann.
Zugleich rutschte ich über ein lange im Voraus vereinbartes Volontanat in die
Redaktion der Neuen Zürcher Zeitung. Es war das Jahr 1996, die Schweiz war
Gegenstand völlig ungewohnter internationaler Debatten über Nazi-Raubgold und
nachrichtenlose Konten von Juden auf Schweizer Banken. Der Chefredaktor der
NZZ, Hugo Bütler, übertrug mir eine eigens dafür gegründete Mitarbeiterstelle für
„Historische Analysen“, in der er mir vertrauensvoll sehr große Freiheiten ließ. Ich
versuchte mich in bisher unbekannten Gefilden, es entstanden neben vielen Artikeln
em Bildband zur Schweiz im Zweiten Weltkrieg, zwei Bücher zur Zeitungsge-
schichte und dann 2005 die Darstellung Verweigerte Erinnerung. Nachrichtenlose Vermö-
gen und die Schweizer Weltkriegsdebatte 1989—2004, im Prinzip eine Untersuchung
über nationale Erinnerungskulturen im Wandel der Globalisierung. Die für dieses
Buch geführten Interviews wurden ermöglicht durch die großzügige finanzielle
Unterstützung von Hans Bär und die tatkräftige Mithilfe des vor wenigen Wochen
verstorbenen Eric Dreifuss. Die Gespräche mit ihnen öffneten mir die Augen dafür,
 
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