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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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A. Die Preisträger
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Walter-Witzenmann-Preis
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Beßlich, Barbara: Synthesis von Unmensch und Übermensch: Napoleon in der deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0262
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Die Preisträger

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liehen Konfigurationen des Napoleon-Mythos in der deutschen Literatur wird die
Entwicklung kultureller Deutungsmuster über die Epochenschwelle 1848 hinaus
nachgezeichnet und dargestellt, wie Napoleon nicht mehr als Nationalfeind der
Befreiungskriege gilt, sondern sukzessive identifikatorisch auf Deutschland bezogen
wird. Wie mit Napoleon-Texten nach 1933 über Hitler debattiert wird, zeigt em
eigenes Kapitel.
Dabei erschließt die Arbeit bisher unbekanntes Quellenmaterial (ca. 250 litera-
rische Napoleon-Texte) und deutet Leittexte (etwa von Hölderlin, Heine und
Nietzsche) neu. Nietzsches Napoleon-Enthusiasmus avanciert zur Vorlage der Napo-
leon-Literatur des 20. Jahrhunderts und ermöglicht einen zivilisationskritischen
Diskurs, der mit Napoleon den Wunsch nach dem starken Mann formuliert. Die
deutsche Literatur im 19. Jahrhundert träumt sich mit Napoleon erinnerungssüchtig
aus einer als langweilig empfundenen Gegenwart heraus. Die deutsche Literatur im
20. Jahrhundert beschwört messianisch bzw. bekämpft exorzistisch einen ‘deutschen
Napoleon’ respektive einen napoleonischen Nationalcharakter.
Die nationale Identifikation wird durch einen identifikatonschen Dichter-
mythos vorbereitet. Die Dichter begreifen Napoleon nach 1821 im Vormärz als
schöpferisches Genie und vergleichen seine Tätigkeit mit der eigenen eines Künst-
lers, der alte Regeln zerbricht und sich neue autonom setzt. Damit ist Napoleon
nicht mehr der feindliche Eroberer und die fremde unbegriffene Macht, sondern
wird metaphorisch Teil der eigenen Welt. Als Genie der Dichter lebt Napoleon ver-
mittelt über die Literatur im kulturellen Gedächtnis der Deutschen zwischen 1848
und 1870 fort, in einer Zeit, in der die deutsche Politik und Historiographie eher
napoleonkritisch eingestellt sind.
Die bisherige Konzentration der Forschung auf den liberalen Napoleon-
Enthusiasmus im Vormärz ließ den falschen Eindruck aufkommen, als sei die litera-
rische Beschäftigung mit Napoleon in Deutschland nach 1821 vornehmlich eine
liberal-progessive, frankophile und kosmopolitische Angelegenheit gewesen,
während em konservativer Nationalismus in Napoleon den Nationalfeind ausge-
macht hätte. Das trifft aber spätestens nach 1890 nicht mehr zu.
Der Napoleon-Mythos als „Leuchtpunkt“ einer Identitätsstiftung ist in litera-
rischen deutschen Texten nach 1945 nicht mehr zu finden. Das hängt mit der
rhetorischen Konstruktion eines ,deutschen Napoleon1 gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts zusammen und mit dem intensiv genutzten Vergleich von Napoleon und
Hitler im ,Dritten Reich’. Nach einer Phase des angestrengten Schweigens nach
1945 geriet mehr und mehr tatsächlich in Vergessenheit, daß Napoleon auch weit
über 1848 hinaus in der historischen Mythologie der Deutschen eine zentrale Rolle
gespielt hatte.
Es war die Absicht meiner Untersuchung, diesen teils verschütteten deutschen
Napoleon-Mythos freizulegen und den Weg des kulturellen Erinnerns von 1800 bis
1945 nachzuzeichnen, vom Nationalfeind über den identifikatorischen Dichter-
Mythos zur Konstruktion eines napoleonischen Nationalcharakters der Deutschen.
„Am Anfang war Napoleon“, mag für die Realgeschichte des deutschen 19. Jahr-
hunderts gelten, für die deutsche Erinnerungsgeschichte des 19. und frühen 20.
 
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