Das WIN-Kolleg | 321
Dauer und Wandel in der Deutung von Lebensphasen nachzuzeichnen, als auch
herauszuarbeiten, wie sich die unterschiedlichen Textperspektiven - vom biblischen
Text über das kulturhistorisch eingebettete Dokument bis zum ästhetisch distan-
zierten Kommentar — in der Modellierung des Lebenszyklus unterscheiden. Gleich-
viel ob in biblischen Texten, im religiös-philosophischen Diskurs, im mittelalter-
lichen Erzählen oder im neuzeitlichen Roman, immer vermögen literarisch ge-
formte Texte, deren Darstellungsabsicht auf Evidenz abzielt, das Individuelle hin
zum Allgemeinen zu überschreiten, so dass sie einerseits als kulturhistorische Quelle
zu den Lebensaltern, andererseits aber auch als fortgeschriebener religiös-ästheti-
scher Kommentar aktualisiert werden können. Diese doppelte Pragmatik, die reli-
giösen und ästhetischen Texten gemeinsam ist, liegt den Interpretationen der vier
Teilprojekte zugrunde.
I. Lebensphasen und Alterskonzepte im Alten Testament
Das erste Teilprojekt widmet sich den Lebensaltern im Alten Testament und fragt
nach der biblischen Differenzierung der Lebensphasen Kindheit, Jugend und Alter
sowie nach Merkmalen und Kennzeichen dieser Lebensabschnitte. Von besonderem
Interesse sind in diesem Zusammenhang lebenszyklische Übergänge, die von Über-
gangsriten begleitet werden; im Alten Testament gilt dies insbesondere für den
Beginn (Beschneidung) und das Ende des Lebens (Bestattungs- und Trauerriten).
Bei der Beschreibung und Bewertung der Lebensphasen hegt der Schwer-
punkt des Teilprojektes auf den biblischen Alterskonzepten. Hinweise auf die bib-
lische Sicht des hohen Alters lassen sich aus der exegetischen Untersuchung der alt-
testamentlichen Altersbeschreibungen gewinnen. Wichtige Texte sind in diesem
Zusammenhang etwa die Altersbeschreibung in Koh 12,1-7, Psalm 71 als Gebet
eines alten Menschen, Psalm 92 oder Weish 4,7—10. Es soll herausgearbeitet werden,
was sich aus diesen und weiteren Texten für das biblische Verständnis des Alters
ergibt, welche Semantik und Altersmetaphorik verwendet wird, welche typischen
Alterssymptome beschrieben werden und wie das Alter in seiner Ambivalenz bewer-
tet wird. Darüber hinaus ist die Frage nach biologischen und sozialen Veränderun-
gen, die mit dem Eintritt in das hohe Alter verbunden sind, von zentraler Bedeu-
tung. Ein weiterer Aspekt, der in alttestamentlichen Lebenskonzepten eine wichtige
Rolle spielt, ist der Zusammenhang von Lebensalter und Gottesbeziehung, der
besonders in jenen Alterskonzepten von Bedeutung zu sein scheint, in denen die
biologischen Gegebenheiten und stereotypen Altersvorstellungen durchbrochen
werden. So führen beispielsweise die Krise des Tun-Ergehen-Zusammenhangs und
das Problem des vorzeitigen Todes des Gerechten zu einer völlig neuen Definition
des Alters (vgl. Weish 4,7—20).
Zu Beginn der Projektarbeit stand die Konkordanzarbeit im Vordergrund, um
die spezifische alttestamenthche Lebensaltersterminologie zusammenzustellen und
ein Textkorpus für die weitere Analyse zu erschließen. Die erste exegetische Be-
arbeitung ausgewählter Texte zur Altersthematik konzentrierte sich vor allem auf die
spezifische Altersmotivik und -Semantik (Kathrin Liess).
Dauer und Wandel in der Deutung von Lebensphasen nachzuzeichnen, als auch
herauszuarbeiten, wie sich die unterschiedlichen Textperspektiven - vom biblischen
Text über das kulturhistorisch eingebettete Dokument bis zum ästhetisch distan-
zierten Kommentar — in der Modellierung des Lebenszyklus unterscheiden. Gleich-
viel ob in biblischen Texten, im religiös-philosophischen Diskurs, im mittelalter-
lichen Erzählen oder im neuzeitlichen Roman, immer vermögen literarisch ge-
formte Texte, deren Darstellungsabsicht auf Evidenz abzielt, das Individuelle hin
zum Allgemeinen zu überschreiten, so dass sie einerseits als kulturhistorische Quelle
zu den Lebensaltern, andererseits aber auch als fortgeschriebener religiös-ästheti-
scher Kommentar aktualisiert werden können. Diese doppelte Pragmatik, die reli-
giösen und ästhetischen Texten gemeinsam ist, liegt den Interpretationen der vier
Teilprojekte zugrunde.
I. Lebensphasen und Alterskonzepte im Alten Testament
Das erste Teilprojekt widmet sich den Lebensaltern im Alten Testament und fragt
nach der biblischen Differenzierung der Lebensphasen Kindheit, Jugend und Alter
sowie nach Merkmalen und Kennzeichen dieser Lebensabschnitte. Von besonderem
Interesse sind in diesem Zusammenhang lebenszyklische Übergänge, die von Über-
gangsriten begleitet werden; im Alten Testament gilt dies insbesondere für den
Beginn (Beschneidung) und das Ende des Lebens (Bestattungs- und Trauerriten).
Bei der Beschreibung und Bewertung der Lebensphasen hegt der Schwer-
punkt des Teilprojektes auf den biblischen Alterskonzepten. Hinweise auf die bib-
lische Sicht des hohen Alters lassen sich aus der exegetischen Untersuchung der alt-
testamentlichen Altersbeschreibungen gewinnen. Wichtige Texte sind in diesem
Zusammenhang etwa die Altersbeschreibung in Koh 12,1-7, Psalm 71 als Gebet
eines alten Menschen, Psalm 92 oder Weish 4,7—10. Es soll herausgearbeitet werden,
was sich aus diesen und weiteren Texten für das biblische Verständnis des Alters
ergibt, welche Semantik und Altersmetaphorik verwendet wird, welche typischen
Alterssymptome beschrieben werden und wie das Alter in seiner Ambivalenz bewer-
tet wird. Darüber hinaus ist die Frage nach biologischen und sozialen Veränderun-
gen, die mit dem Eintritt in das hohe Alter verbunden sind, von zentraler Bedeu-
tung. Ein weiterer Aspekt, der in alttestamentlichen Lebenskonzepten eine wichtige
Rolle spielt, ist der Zusammenhang von Lebensalter und Gottesbeziehung, der
besonders in jenen Alterskonzepten von Bedeutung zu sein scheint, in denen die
biologischen Gegebenheiten und stereotypen Altersvorstellungen durchbrochen
werden. So führen beispielsweise die Krise des Tun-Ergehen-Zusammenhangs und
das Problem des vorzeitigen Todes des Gerechten zu einer völlig neuen Definition
des Alters (vgl. Weish 4,7—20).
Zu Beginn der Projektarbeit stand die Konkordanzarbeit im Vordergrund, um
die spezifische alttestamenthche Lebensaltersterminologie zusammenzustellen und
ein Textkorpus für die weitere Analyse zu erschließen. Die erste exegetische Be-
arbeitung ausgewählter Texte zur Altersthematik konzentrierte sich vor allem auf die
spezifische Altersmotivik und -Semantik (Kathrin Liess).