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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
II. Alter als Argument:
Zum Gebrauch von Lebensaltertopoi in Texten der römischen Kaiserzeit
Das zweite Teilprojekt ist in der Klassischen Philologie angesiedelt und untersucht
den argumentativen Gebrauch von Lebensaltermodellen in narrativen und rhetori-
schen Texten der Kaiserzeit. Das der Untersuchung zugrunde liegende Korpus ist
überwiegend im zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. entstanden. Es enthält
Texte, die sowohl von christlichen als auch von ‘paganen’ Autoren stammen. Man
kann die Autoren und ihre Schriften dem Umfeld einer in ihrem Kern rhetorischen
Bewegung zuordnen, nämlich der „Zweiten Sophistik“. Die gemeinsame kompara-
tistische Untersuchung von Texten christlicher und paganer Provenienz soll der
durch das unterschiedliche Interesse der wissenschaftlichen Disziplinen entstandenen
Gegenüberstellung von christlicher und griechisch-römischer Kultur und Religion
entgegenwirken. Auf diesem Wege kann deutlich gemacht werden, dass und wie die
Schriften einem gemeinsamen Diskurs verpflichtet sind.
Die Vertreter und die Schriften der Zweiten Sophistik sind in der jüngeren
kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung unter der Prämisse untersucht wor-
den, dass sie die der Elite des römischen Reiches insgesamt eigene höhere Bildung
(paideia) als Referenzsystem verstanden. Im Zuge des „performative turn“ sind sie
auch als Fallbeispiele für Konstruktionen von Männlichkeit betrachtet worden, die
Rückschlüsse auf die gesamte kulturelle Oberschicht des römischen Reiches zulassen.
Die ausgewählten narrativen und rhetorischen Texte von Apuleius, Lukian,
Tertulhan und anderen beschäftigen sich u.a. mit der Performanz von Religion und
der Selbstdarstellung von religiösen und philosophischen Experten. Welche Rolle das
Alter, auch das hohe Alter als Argument in den in diesem Textkorpus greifbaren
Legitimationsdiskursen spielt, inwiefern Spannungen zwischen der Altersstufen-
semantik verschiedener Diskurse - religiöser, philosophischer oder literarischer -
auftreten und funktionalisiert werden, ist Gegenstand dieser Untersuchung.
Die ersten Monate der Projektarbeit dienten der Erweiterung und
Erschließung des Textkorpus. Im Vordergrund stand die kursorische Lektüre von sol-
chen Texten der römischen Antike, die sich ausschließlich oder überwiegend mit den
Altersstufen, insbesondere mit dem hohen Alter auseinandersetzen. Neben Texten
der Epik, Satire und Komödie sind dies philosophische Traktate von Cicero, Seneca
und Plutarch sowie medizinische Abhandlungen. Anhand ihrer Lektüre wird eine
Topik der Altersstufen erkennbar, die für die Argumentation der rhetorischen und
narrativen Texte, die Gegenstand der Untersuchung sind, grundlegend ist. Die biblio-
graphische Aufnahme und Erfassung von Forschungsliteratur wurde fortgesetzt
(Dorothee Elm).
III. Identität und Differenz. Zur Wechselwirkung von genealogischer Prägung und personalem
Lebenszyklus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzählen
Die Segmentierung des Lebens in klare Etappen ist ein auch im Mittelalter präsen-
tes Denkmodell, die Übergänge von einem Lebensalter zum nächsten werden — vor
allem im Lebensentwurf des männlichen Feudaladels — fest markiert und durch
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
II. Alter als Argument:
Zum Gebrauch von Lebensaltertopoi in Texten der römischen Kaiserzeit
Das zweite Teilprojekt ist in der Klassischen Philologie angesiedelt und untersucht
den argumentativen Gebrauch von Lebensaltermodellen in narrativen und rhetori-
schen Texten der Kaiserzeit. Das der Untersuchung zugrunde liegende Korpus ist
überwiegend im zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. entstanden. Es enthält
Texte, die sowohl von christlichen als auch von ‘paganen’ Autoren stammen. Man
kann die Autoren und ihre Schriften dem Umfeld einer in ihrem Kern rhetorischen
Bewegung zuordnen, nämlich der „Zweiten Sophistik“. Die gemeinsame kompara-
tistische Untersuchung von Texten christlicher und paganer Provenienz soll der
durch das unterschiedliche Interesse der wissenschaftlichen Disziplinen entstandenen
Gegenüberstellung von christlicher und griechisch-römischer Kultur und Religion
entgegenwirken. Auf diesem Wege kann deutlich gemacht werden, dass und wie die
Schriften einem gemeinsamen Diskurs verpflichtet sind.
Die Vertreter und die Schriften der Zweiten Sophistik sind in der jüngeren
kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung unter der Prämisse untersucht wor-
den, dass sie die der Elite des römischen Reiches insgesamt eigene höhere Bildung
(paideia) als Referenzsystem verstanden. Im Zuge des „performative turn“ sind sie
auch als Fallbeispiele für Konstruktionen von Männlichkeit betrachtet worden, die
Rückschlüsse auf die gesamte kulturelle Oberschicht des römischen Reiches zulassen.
Die ausgewählten narrativen und rhetorischen Texte von Apuleius, Lukian,
Tertulhan und anderen beschäftigen sich u.a. mit der Performanz von Religion und
der Selbstdarstellung von religiösen und philosophischen Experten. Welche Rolle das
Alter, auch das hohe Alter als Argument in den in diesem Textkorpus greifbaren
Legitimationsdiskursen spielt, inwiefern Spannungen zwischen der Altersstufen-
semantik verschiedener Diskurse - religiöser, philosophischer oder literarischer -
auftreten und funktionalisiert werden, ist Gegenstand dieser Untersuchung.
Die ersten Monate der Projektarbeit dienten der Erweiterung und
Erschließung des Textkorpus. Im Vordergrund stand die kursorische Lektüre von sol-
chen Texten der römischen Antike, die sich ausschließlich oder überwiegend mit den
Altersstufen, insbesondere mit dem hohen Alter auseinandersetzen. Neben Texten
der Epik, Satire und Komödie sind dies philosophische Traktate von Cicero, Seneca
und Plutarch sowie medizinische Abhandlungen. Anhand ihrer Lektüre wird eine
Topik der Altersstufen erkennbar, die für die Argumentation der rhetorischen und
narrativen Texte, die Gegenstand der Untersuchung sind, grundlegend ist. Die biblio-
graphische Aufnahme und Erfassung von Forschungsliteratur wurde fortgesetzt
(Dorothee Elm).
III. Identität und Differenz. Zur Wechselwirkung von genealogischer Prägung und personalem
Lebenszyklus im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzählen
Die Segmentierung des Lebens in klare Etappen ist ein auch im Mittelalter präsen-
tes Denkmodell, die Übergänge von einem Lebensalter zum nächsten werden — vor
allem im Lebensentwurf des männlichen Feudaladels — fest markiert und durch