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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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C. Die Nachwuchskonferenzen
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3. Diktaturüberwindung und Zivilgesellschaft in Europa
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0324
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Die Nachwuchskonferenzen

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vehement für eine Wiederkehr des Totalitarismusparadigmas plädierte, die sie in
Osteuropa bereits gegeben sah, beschrieb Keßler vor allem die Gefahren eines kapi-
talistischen Systems, dem der Hinweis auf kommunistische Verbrechen zur Selbst-
legitimation diene. Demgegenüber warnte Prof. Dr. Gert-Joachim Glaeßner vor einer
normativen Aufladung der Debatte. Er lehnte das Totalitarismusparadigma wegen sei-
nes geschlossenen Konzepts von Herrschaft ab. Dr. Edward Kanterian (Oxford) betonte
aus einer philosophischen Perspektive, dass es statt um die Frage nach einer west-
oder osteuropäischen Erinnerung mehr noch um die Frage nach einer globalen
„Ethik der Erinnerung“ gehe.
Am dritten Konferenztag standen vor allem neue transnationale Perspektiven
der Überwindung von Diktaturen im Fokus. Das erste Panel des Tages beschäftigte
sich mit der Frage nach Vergangenheitsaufarbeitung im Bereich des Rechts. Nora
Karsten (Den Haag) zeichnete die Etablierung des Jugoslawien-Tribunals in Den
Haag nach, die sie insgesamt als Erfolg im Sinne einer Transnationalisierung straf-
rechtlicher Aufarbeitung klassifizierte. Dr. Csilla Kiss (Budapest) beleuchtete das
Konzept der Transitional Justice, das sie gerade im Bereich osteuropäischer Transfor-
mation in oftmals problematischer Nähe zu einer instrumentalisierten Geschichts-
politik sah.
Im Anschluss standen Restitutionsprozesse und Unrechtsaufarbeitung nach
historischen Umbrüchen im Vordergrund. Elisabeth Gallas (Leipzig) stellte in ihrem
Beitrag anhand der Bemühungen der jüdischen Treuhandorganisation Jewish Guttu-
ral Reconstruction den Kampf um den richtigen Ort zur Aufbewahrung geraubter
jüdischer Kulturgüter dar, der auf die grundlegende Frage von Regionalität, Trans-
nationalität und Globalität von Gedächtnis verweist. Regina Fritz (Wien) beschäftig-
te sich mit der Aufarbeitung des Holocaust in Ungarn während der kurzen Phase
einer demokratischen ungarischen Nachkriegsregierung. Sie betonte den starken
Einfluss außenpolitischer Implikationen und stellte dar, dass es schon in dieser frühen
Phase trotz eines Bemühens um „Wiedergutmachung“ zum Versuch einer morali-
schen Entlastung der ungarischen nicht-jüdischen Bevölkerung gekommen sei. Mit
dem Umbruch 1989 und der darauf folgenden Frage der transnationalen Restituti-
on beschäftigte sich schließlich Benno Nietzel (Berlin). Er entwickelte theoretische
Analysekategorien zur Bewertung der Wiedergutmachungsdebatten und setzte dabei
die Begriffe „Asymmetrie“, „Opferkonkurrenz“ und „Reziprozität“ zentral.
Mit dem Bezug auf die Debatten um diktatorische Vergangenheit leitete Nietzel
inhaltlich zum nächsten Panel über, in dem es um mediale Inszenierung und trans-
nationale Kommunikation in Bezug auf Vergangenheitsaufarbeitung ging. Prof. Dr.
Carola Sachse (Wien) analysierte die Kommunikation zwischen der Max-Planck-
Gesellschaft und der Rockefeiler Foundation. Sachse kam zu dem Schluss, dass die
gegenseitige Kommunikation von den Prozessen der Aufarbeitung der NS-Ver-
gangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg nur oberflächlich berührt worden war.
Christine Gundermann (Berlin) zeigte auf einer anderen Ebene ebenfalls den Mangel
der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit auf: Sie stellte die Städtepartner-
schaften zwischen Rotterdam und deutschen Städten wie Köln nach dem Zweiten
Weltkrieg in den Mittelpunkt ihrer Analyse und konstatierte, dass die gegenseitige
 
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