Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

DOI chapter:
A. Das akademische Jahr 2019
DOI chapter:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI article:
Debatin, Klaus-Michael: Zelltod: Sensitivität und Resistenz in der Tumotherapie
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0062
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
II. Wissenschaftliche Vorträge

antiapoptotischen Bcl-2 Proteine halten die Zelltod auslösenden Vertreter dieser
Familie quasi gefangen. Die Gruppe der BH3 Mimetika löst diese Bindung und
die Freisetzung der proapoptotischen Moleküle führt dann direkt zum Zelltod. In
diesem Fall ist also eine Hemmung der Hemmer tatsächlich auch ein Auslöser für
den Zelltod und ein äußerst wirksames Medikament, das erstmalig in der Behand-
lung der Chronisch Lymphatischen Leukämie eingesetzt wurde. Bei dieser Tu-
morform gibt es eine besonders hohe Expression der Zelltod blockierenden Bcl-2
Moleküle. Anfang 2016 wurden dazu die ersten Daten publiziert, die beindru-
ckende Ergebnisse lieferten. Auch in eigenen Arbeiten haben wir uns mit dieser
neuen Familie an Medikamenten bei akuten Leukämien und bei Gehirntumoren
beschäftigt. Bei akuten Leukämien gibt es eine sehr heterogene Sensitivität gegen-
über den BH3 Mimetika. Durch verschiedene experimentelle Ansätze haben wir
Methoden identifiziert, mit denen eine Voraussage über das Ansprechen möglich
ist. Experimentell entwickelt sich aber auch hier in präklinischen Systemen Resis-
tenz, die begleitet ist von der Hochregulation bzw. Deregulation anderer Proteine
der Bcl-2 Familie, die wiederum Resistenz auslösen können. Hier wird nur eine
Kombination verschiedener Medikamente wirksam sein. Zeigen die BH3 Mime-
tika ein neues Therapieprinzip auf, so verfolgt ein anderes Szenario der Apop-
tosemodellierung und Tumortherapie das sog. „sensitizer-inducer“-Konzept. Die
Effektorphase der Zelltodkaskade wird durch Proteine inhibiert, die die Aktivität
der proteolytischen Enzyme hemmen. Diese sog. „inhibitor of apoptose prote-
ins (LAPs)“ sind seit vielen Jahren ebenfalls Ziel der Medikamentenentwicklung,
nachdem wir und andere Gruppen Anfang der 2000er Jahre gezeigt haben, dass
die Hemmung dieser lAPs gemeinsam mit einem Zelltodinduktor Tumorzellen-
Apoptose auslösen können. Auch hier sind klinische Studien angelaufen. Derzeit
laufen über 220 klinische Studien mit Zelltodmodulatoren.
Schlussendlich ist der derzeitige Erfolg der Immuntherapie bei Tumorer-
krankungen auch eng assoziiert mit Fragen von Sensitivität und Resistenz. Im-
muntherapie wurde als „breakthrough of the year“ in Science 2013 gefeiert. Jim
Allison und Tasuku Honjo, zwei Pioniere auf diesem Gebiet, erhielten dafür 2018
den Nobelpreis. Auch hier dauerte es fast 30 Jahre von der reinen Grundlagen-
forschung, die zunächst im Übrigen einen ganz anderen Ansatz hatte, hin zur kli-
nischen Anwendung. Auch bei der Immuntherapie gibt es eine große Variabilität
im Ansprechen verschiedener Tumorarten, exzellentem Ansprechen steht geringes
Ansprechen gegenüber und selbst beim gleichen Tumortyp gibt es ein heterogenes
Ansprechen auf die Therapie.
Zusammenfassend befinden wir uns in einer außerordentlich spannenden
Phase der Krebsmedizin. Erkenntnisse der Grundlagenforschung der letzten
Dekaden finden nun ihren Weg in die klinische Anwendung mit neuen Medi-
kamenten und Therapieansätzen. Klar ist, dass die zelluläre und molekulare und
vor allem genetische Untersuchung von Krebszellen die Schlüssel, nicht nur für

62
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften