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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Michael Pawlik
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0163
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Antrittsrede von Michael Pawlik

Tragweite dieses Schritts voll im Klaren zu sein, denn er versuchte weiterhin, aus
seinem Ansatz normativ relevante Schlussfolgerungen abzuleiten. Der für mich
selbst wichtigste Ertrag meiner Dissertation besteht rückblickend betrachtet darin,
dass sie mich dazu befähigte, diesen Einwand auf den rechtstheoretischen Begriff
zu bringen. Seit meiner Habilitationsschrift geht mein eigenes Bestreben dahin, ei-
ne zwar gesellschaftstheoretisch reflektierte, aber zugleich normativ ambitionierte
Allgemeine Verbrechenslehre zu entwickeln.
Meine Dissertation verfasste ich überwiegend während eines Studienjahres,
das ich 1989/90 in Cambridge verbringen durfte. In britische Exzentrik hatte ich
mich schon in Bonn eingeübt, wo ich gemeinsam mit einigen Oxford-erfahrenen
Mit-Studienstiftlern eine Society gegründet hatte, deren Namen „The Egotists“
und deren Kleiderordnung wir von Lord Peter Wimsey übernahmen. Neben
der Vervollkommnung dieser Attitüde und einem Einblick in die tiefe Skepsis
der britischen Oberschicht gegenüber dem seiner Wiedervereinigung entgegen-
strebenden Deutschland lernte ich in Cambridge hauptsächlich zweierlei. Zum
einen begriff ich die Produktivität des scheinbar naiven Fragens. Nichts eignet
sich besser, um vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, aber auch manchen mit
der Wucht bombastischer Wort-Dreimaster dahinrauschenden Großtheorien die
Luft aus den Segeln zu nehmen, als die schlichte Frage: „Ja, weshalb denn dies?“
Zum anderen eröffnete sich mir das Feld der anglo-amerikanischen Rechtstheo-
rie. Da ich mich in Bonn im Rahmen einer Seminararbeit bereits mit einem der
bedeutendsten deutschsprachigen Rechtstheoretiker, Hans Kelsen, befasst hatte,
fand ich es reizvoll, seine Lehren mit denen seines englischen Pendants H.L.A.
Hart zu vergleichen. Dass ich diesen Vergleich ein wenig nach Art eines Fuß-
ballspiels auffasste, ist mir heute zwar etwas peinlich; dass die deutschsprachige
Seite aber als klarer Sieger vom Platz ging, befriedigt mich offen gestanden noch
immer.
Ungeachtet seiner geistigen Offenheit war meinem Doktorvater Jakobs, der
einen guten Teil seiner Kinderjahre in Luftschutzbunkern zugebracht hatte, die
englischsprachige Welt stets suspekt geblieben. Umso überraschter war ich, dass er
meiner Doktorarbeit großes Wohlwollen entgegenbrachte und mir dadurch eine
berufliche Perspektive eröffnete, von der ich bis dahin kaum zu träumen gewagt
hatte. Ein Habilitand aus dem Neandertaler-Gymnasium? Eine abwegige Vorstel-
lung, die aber 1992 unversehens Realität geworden war.
Parallel zum Referendariat begann ich also mit den Vorarbeiten zu meiner
Habilitationsschrift. Sie war dem Delikt des Betrugs gewidmet. Der Umgang mit
diesem Straftatbestand ist vor allem deshalb schwierig, weil erlaubte Geschäfts-
tüchtigkeit und unerlaubtes Verhalten in ihm oft eng beieinanderliegen; deshalb ist
der genaue Grenzverlauf an vielen Stellen umstritten. Mein Ziel, Kriterien für eine
halbwegs rechtssichere Grenzziehung zu entwickeln, war zwar nicht sonderlich
originell. Die von mir angewendete Methode unterschied sich allerdings signifi-

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