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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2019 — 2020

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Grebel, Eva K.: Gustav Tammann-Jundt
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https://doi.org/10.11588/diglit.55176#0213
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Nachruf auf Gustav Tammann-Jundt

punkt die Erforschung der Expansion des Universums und die Bestimmung der
sogenannten Hubble-Konstanten. Die Hubble-Konstante ist ein Maß für die Ex-
pansionsrate des Weltraums und letztlich für das Alter des Universums. Tammann
und seine Kollegen bestimmten ihren Wert anhand von Beobachtungen veränder-
licher Sterne wie Cepheiden und Supernovae in externen Galaxien. Entfernungs-
messungen und eine genaue Kalibration der extragalaktischen Entfernungsskala
sind eine wesentliche Voraussetzung für die Bestimmung der Hubble-Konstanten
und um so schwieriger, je weiter die Galaxien im Universum von uns entfernt
sind. Je nach Entfernungsbereich werden andere Entfernungsindikatoren verwen-
det. Im nahen Universum sind dies vor allem die periodisch pulsierenden Cephei-
densterne, die sich aufgrund ihrer großen Helligkeit auch in nahen Galaxien noch
gut beobachten lassen. Sandage und Tammann definierten eine neue Perioden-
Leuchtkraft-Beziehung für Cepheiden und initiierten ein langjähriges Beobach-
tungsprogramm zur Bestimmung der Hubble-Konstanten, in dessen Rahmen sie
zusammen mit weiteren Kollegen zusätzliche Entfernungsindikatoren kalibrierten
und nutzten, aber auch Galaxienkataloge mit geeigneten Zielobjekten für die Ent-
fernungsbestimmungen erstellten.
Diese Arbeiten erforderten die Katalogisierung und die Charakterisierung des
Galaxieninhalts des nahen Universums einschließlich der Entfernungen und Ge-
schwindigkeitsfelder von Galaxien in Galaxiengruppen und -häufen. Zusammen
mit Sandage publizierte Tammann einen mehr als 2.000 Objekte umfassenden Ka-
talog aller leuchtkräftigen Galaxien, die heller sind als eine bestimmte Grenzgröße.
Besondere Aufmerksamkeit fiel auf den Virgo-Galaxienhaufen, der der uns am
nächsten gelegene Galaxienhaufen ist und auf den sich unsere Galaxiengruppe zu-
bewegt. Die Arbeiten von Tammann und seinen Kollegen führten erstmals zu der
Bestimmung von vollständigen Galaxienleuchtkraftfunktionen und ermöglichten
Untersuchungen, wie sich diese Leuchtkraftfunktionen als Funktion des morpho-
logischen Typs von Galaxien unterscheiden, was wiederum Rückschlüsse auf Pro-
zesse der Galaxienentwicklung erlaubt. Zudem entdeckten Tammann und seine
Kollegen eine Reihe neuer Zwerggalaxientypen. Diese Arbeiten umfassten auch
die Untersuchung der Bewegung der Galaxien und von Abweichungen gleich-
förmiger kosmologischer Expansion aufgrund großer Massekonzentrationen. So-
wohl solche lokalen wie auch großräumige Störungen müssen bei der Messung
der Hubble-Konstanten berücksichtigt werden.
Im ferneren Universum benötigt man Indikatoren, die eine noch größere
Leuchtkraft als die Cepheiden besitzen. Hier leistete Tammann Pionierarbeit bei
der Etablierung von sogenannten Supernovae vom Typ la als extragalaktischen
Entfernungsindikatoren. Supernovae sind explodierende Sterne, deren Helligkeit
kurzzeitig die einer gesamten Galaxie übertreffen kann. Supernovae vom Typ la
erreichen einen recht konstanten absoluten Helligkeitswert, was sie zu einem sehr
nützlichen Entfernungsmesser macht. Tammann eichte diese Objekte anhand von

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