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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 20. Juli 2007
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Keimer, Bernhard: Supraleitung
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0071
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SITZUNGEN

gekühlt werden können, verringern sich die Kosten für den Betrieb supraleitender
Bauelemente dadurch erheblich. Auch aus der Sicht der Grundlagenforschung sind
diese sogenannten Hochtemperatur-Supraleiter hochinteressant, denn es gibt viele
Hinweise auf einen neuartigen Mechanismus für die Cooper-Paarbildung. In kon-
ventionellen Supraleitern kommt diese dadurch zustande, dass em Elektron die posi-
tiv geladenen Atomrümpfe zu sich hinzieht. Dadurch bildet sich eine positive
Ladungswolke, welche wiederum anziehend auf ein anderes Elektron wirkt. Die
BCS-Theorie hat gezeigt, dass eine solche durch das Kristallgitter vermittelte
Wechselwirkung zweier Elektronen zwangsläufig zu einer Reihe von Symmetrie-
eigenschaften der Wellenfunktion der Cooper-Paare führt, die in herkömmlichen
Supraleitern auch tatsächlich beobachtet werden. Experimente an Hochtemperatur-
Supraleitern haben jedoch herausgestellt, dass sich die Symmetrie der makroskopi-
schen Wellenfunktion dieser Materialien grundsätzlich von derjenigen konventio-
neller Supraleiter unterscheidet.
Die Suche nach dem Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung ist ein
hochaktueller Forschungsgegenstand. Die bislang vielversprechendste Theorie
beruht auf der Annahme, dass die mikroskopischen Magnetmomente („Spins“) der
Elektronen im Mittel antiparallel zueinander ausgerichtet sind. Eine derartige kurz-
reichweitige „antiferromagnetische“ Ordnung ist in Hochtemperatur-Supraleitern
tatsächlich experimentell nachgewiesen worden, und man kann zeigen, dass sich
Cooper-Paare durch einen antiferromagnetisch geordneten Hintergrund einfacher
bewegen können als einzelne Elektronen. Auch können die experimentell bestimm-
ten Symmetrieeigenschaften der makroskopischen Wellenfunktion als natürliche
Konsequenz eines magnetischen Paarbildungsmechanismus verstanden werden. Eine
mathematisch konsistente, mit allen Experimenten im Einklang stehende Theorie
der Hochtemperatur-Supraleitung steht jedoch noch aus.
Die hohen Kosten für die Herstellung und Kühlung von Hochtemperatur-
Supraleitern stehen zurzeit noch weiträumigen Anwendungen dieser Materialien
entgegen, doch wächst deren Wirtschaftlichkeit mit dem Weltmarktpreis für Kupfer,
der in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. Der Stromdurchsatz pro Kupferatom ist
in den auf Kupferoxid basierenden Supraleitern nämlich mehr als hundertmal höher
als in einem normalleitenden Kupferkabel. Dies ist insbesondere in räumlich
begrenzten Situationen von entscheidendem Vorteil. So erleben z.B. Schiffsmotoren
mit hochtemperatur-supraleitenden Kabeln derzeit eine erfolgreiche Marktein-
führung. Langfristig besteht die Hoffnung, dass ein vertieftes Verständnis des mikro-
skopischen Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung die Entwicklung eines
Raumtemperatur-Supraleiters ermöglichen wird. Zwar ist der Weltrekord fürTc seit
nunmehr über 15 Jahren konstant, doch beinhaltet das Periodensystem der Elemen-
te em fast unbeschränktes Reservoir an chemischen Verbindungen. Tatsächlich wer-
den regelmäßig neue supraleitende Verbindungen entdeckt, und es ist kein physika-
lisches Prinzip bekannt, das Supraleitung bei Raumtemperatur verbietet. Vieles
spricht also dafür, dass die Erforschung der Supraleitung auch in den nächsten hun-
dert Jahren für Spannung sorgen wird.
 
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