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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 21. Juli 2007
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Esser, Hartmut: Kann man mit 'Sinn' kausal erkläre?: Beitrag zur Diskussion "Ist Geisteswissenschaft Wissenschaft?"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0082
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21. Juli 2007

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delt der Akteur A nach H. Das aber sei, so wird angenommen, kein Konzept, das an
irgendeiner Stelle auf em „allgemeines Gesetz“ zurückgreife bzw. zurückgreifen
müsse, und weil die das Handeln bestimmenden Folgen in der Zukunft lägen, kön-
nen die guten Gründe auch nicht aus einer Vergangenheit „kausal“ bestimmt sein.
Alles, was man brauche, sei die deutende Rekonstruktion des Willens W und des
Glaubens G der Akteure, also die Beschreibung der subjektiven Vorstellungen der
Akteure. Daraus alleine „folge“ dann das Handeln. Anders gesagt: Es reicht bereits das
„deutende Verstehen“ für die Ableitung des „Ablaufs“ (und der Folgen) des Han-
delns, und daher seien weitere „Erklärungen“ weder nötig, noch der Kategorie des
Sinns angemessen.
Alles hängt also (zunächst) an dieser Annahme. Das Problem dabei ist jedoch,
dass der praktische Syllogismus in der beschriebenen Form kein gültiger logischer
Schluss ist, der es erlauben würde, aus den beiden Feststellungen W und G das Han-
deln H abzuleiten. Das Problem ist nur zu offenbar: Jeder gültige logische Schluss
setzt den Bezug auf einen den Einzelfall übergreifenden Zusammenhang voraus, bei
dem in den Prämissen bestimmte Randbedingungen und in der Konklusion das
jeweils abzuleitende Ereignis aufgeführt sind. Im praktischen Syllogismus gibt es die-
sen übergreifenden Zusammenhang jedoch nicht, wodurch erst der Eindruck ent-
steht, er hätte mit einer „Erklärung“ nichts zu tun. Der Wille W und der Glaube G
sind aber nur Randbedingungen, aus denen alleine sich das Handeln H nicht ablei-
ten lässt. Komplett sähe das Schema daher etwa so aus:
Für alle Akteure gilt: Wenn ein Akteur den Willen W hat und wenn er glaubt, dass für
die Erreichung von W das Handeln H notwendig ist, dann
handelt er nach H
A willW
A hat den Glauben G, daß für W das Handeln H notwendig ist
A handelt nach H
Damit aber entspricht der praktische Syllogismus formal exakt wieder dem
Erklärungsschema nach Hempel und Oppenheim, und es wird offenbar, dass ein
Verstehen über den praktischen Syllogismus nichts anderes ist als die Erklärung des
Handelns über ein übergreifendes, allgemeines Gesetz. Der grundlegende Unter-
schied zu den einfachen Kausalerklärungen ist, dass nun die beiden Bestandteile des
subjektiven „Sinns“ — der Wille W und der Glaube G — zu „Ursachen“ des Handelns
werden. Es sind, wenn man so will, innere Ursachen, aber das ändert nichts daran,
dass ihre Rekonstruktion und die verstehende Ableitung eines Handelns vollauf
den Vorgaben des Erklärungsschemas entsprechen. Und auch dass sich die guten
Gründe auf zukünftige Folgen beziehen, ändert daran nichts: Die entsprechenden
Vorstellungen gehen dem Handeln voraus und können daher ohne Weiteres kausale
„Ursachen“ dafür sein.
 
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