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ANTRITTSREDEN
an welche unsichtbaren Grenzen em Jude auch in der vermeintlich behüteten
Schweiz früher oder später stieß.
In dieser behüteten Schweiz waren inzwischen nach unserem Ältesten, Lucas,
drei weitere Kinder zur Welt gekommen, Valentin, Patricia und Anna. Auf ihre
Geburten folgte die 2001 in Zürich eingereichte und von Bernd Roeck feder-
führend durch das Verfahren begleitete Habilitationsschrift, Die Geburt der Republic.
Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Aus der
Suche nach bürgerlichem Selbstverständnis war also die Frühgeschichte freistaatli-
cher Souveränität geworden: Wie und weshalb, mit welchen Verlusten und mit wel-
chen Gewinnen, gingen die Eidgenossen in einem langen 17. Jh. allmählich von
einem reichsrechtlichen Kosmos dazu über, ihr mittelalterlich strukturiertes Bündnis
im westlichen Staats- und Völkerrecht zu positionieren? Wie drückten sie dieses neue
Selbstverständnis symbolisch aus? Und nicht zuletzt: Welche sozialen Gruppen waren
für diesen Wandel verantwortlich, wie erwarben sie das entsprechende Wissen — eine
Teilfrage, der ich zusammen mit Michael Kempe eine eigene Monographie widme-
te, über die ersten deutschsprachigen Aufklärungsgesellschaften in Zürich in den
Jahrzehnten um 1700.
Inmitten all dieser oft hektischen Publikationsprojekte erhielt ich eine Mail
mit der Betreffzeile: „Luzern?“. Darin forderte mich der Mediävist Guy Marchal auf,
mich für eine vom Nationalfonds finanzierte Assistenzprofessur an der neugegrün-
deten Universität Luzern zu bewerben, wo ich von 2002 bis 2004 mit viel Gewinn
und Befriedigung lehrte.
Dann ereilte mich der Ruf nach Heidelberg. Ich will den Namensreigen von
Abwesenden nicht mit demjenigen von Anwesenden fortsetzen, die an dieser Ent-
scheidung beteiligt waren. Ich halte aber sehr gerne fest, dass ich hier in Heidelberg
ein traumhaftes Umfeld vorgefunden habe: am Lehrstuhl, im Fach, in der Fakultät
und darüber hinaus, mit einem Vorgänger, der mir sehr vieles erleichtert hat, aber
mich im Übrigen vertrauensvoll meine Wege gehen und meine Fehler machen lässt.
Solches Vertrauen, das wäre dann wohl meine Antwort auf die ungestellte Eingangs-
frage meines Vaters, führt in die Akademie der Wissenschaften, deren Name bereits
erbauende Perspektiven für uns alle bedeutet, die wir uns gegenwärtig auf Lehr-
stühlen für das Schreiben von Drittmittelanträgen glauben. Ich danke Ihnen allen für
dieses Vertrauen, und ich will mich bemühen, es nicht zu enttäuschen.
ANTRITTSREDEN
an welche unsichtbaren Grenzen em Jude auch in der vermeintlich behüteten
Schweiz früher oder später stieß.
In dieser behüteten Schweiz waren inzwischen nach unserem Ältesten, Lucas,
drei weitere Kinder zur Welt gekommen, Valentin, Patricia und Anna. Auf ihre
Geburten folgte die 2001 in Zürich eingereichte und von Bernd Roeck feder-
führend durch das Verfahren begleitete Habilitationsschrift, Die Geburt der Republic.
Staatsverständnis und Repräsentation in der frühneuzeitlichen Eidgenossenschaft. Aus der
Suche nach bürgerlichem Selbstverständnis war also die Frühgeschichte freistaatli-
cher Souveränität geworden: Wie und weshalb, mit welchen Verlusten und mit wel-
chen Gewinnen, gingen die Eidgenossen in einem langen 17. Jh. allmählich von
einem reichsrechtlichen Kosmos dazu über, ihr mittelalterlich strukturiertes Bündnis
im westlichen Staats- und Völkerrecht zu positionieren? Wie drückten sie dieses neue
Selbstverständnis symbolisch aus? Und nicht zuletzt: Welche sozialen Gruppen waren
für diesen Wandel verantwortlich, wie erwarben sie das entsprechende Wissen — eine
Teilfrage, der ich zusammen mit Michael Kempe eine eigene Monographie widme-
te, über die ersten deutschsprachigen Aufklärungsgesellschaften in Zürich in den
Jahrzehnten um 1700.
Inmitten all dieser oft hektischen Publikationsprojekte erhielt ich eine Mail
mit der Betreffzeile: „Luzern?“. Darin forderte mich der Mediävist Guy Marchal auf,
mich für eine vom Nationalfonds finanzierte Assistenzprofessur an der neugegrün-
deten Universität Luzern zu bewerben, wo ich von 2002 bis 2004 mit viel Gewinn
und Befriedigung lehrte.
Dann ereilte mich der Ruf nach Heidelberg. Ich will den Namensreigen von
Abwesenden nicht mit demjenigen von Anwesenden fortsetzen, die an dieser Ent-
scheidung beteiligt waren. Ich halte aber sehr gerne fest, dass ich hier in Heidelberg
ein traumhaftes Umfeld vorgefunden habe: am Lehrstuhl, im Fach, in der Fakultät
und darüber hinaus, mit einem Vorgänger, der mir sehr vieles erleichtert hat, aber
mich im Übrigen vertrauensvoll meine Wege gehen und meine Fehler machen lässt.
Solches Vertrauen, das wäre dann wohl meine Antwort auf die ungestellte Eingangs-
frage meines Vaters, führt in die Akademie der Wissenschaften, deren Name bereits
erbauende Perspektiven für uns alle bedeutet, die wir uns gegenwärtig auf Lehr-
stühlen für das Schreiben von Drittmittelanträgen glauben. Ich danke Ihnen allen für
dieses Vertrauen, und ich will mich bemühen, es nicht zu enttäuschen.