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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Antrittsreden
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Welker, Michael: Antrittsrede vom 21. Juli 2007
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0139
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ANTRITTSREDEN

meine ersten Erfahrungen auf der Bühne gemacht und wirkte gern mit, als Mephi-
sto, Romulus, Andri in Andorra und in anderen Rollen. Auch engagierte ich mich
als Schulsprecher und besonders intensiv in der evangelischen Jugendarbeit. Mit dem
Ziel,Jugendpfarrer zu werden, begann ich 1966 mein Studium in Heidelberg.
Hier hatte ich das große Glück, auf ausgezeichnete akademische Lehrer zu tref-
fen - unter den Ordinarien und auch unter den Assistenten. Der Patristiker Hans von
Campenhausen, der Alttestamentler Gerhard von Rad und der Philosoph Dieter
Henrich, bei dem ich später mit einer Arbeit über Hegel in Philosophie promovierte,
vermittelten mir starke Bildungserlebnisse. Nachdem im ersten Semester das Hebrai-
cum über Erwarten gut abgelegt war, eine patristische Proseminararbeit sehr gut
ankam und mir vor allem die Lektüre Kants eine Kantkrise ä la Kleist bescherte, fand
ich die akademische Welt so verlockend, dass ich mir vornahm, theologischer Hoch-
schullehrer zu werden. In diesem Wunsch bestärkte mich, natürlich nur indirekt,
im zweiten Semester Odil Hannes Steck, Assistent im Alten Testament, später Ordi-
narius in Mainz, Hamburg und Zürich, der uns in minutiöser exegetischer Arbeit
schulte und mir großzügig eine 60seitige Proseminararbeit abnahm, an der ich drei
Monate lang Tag und Nacht begeistert gearbeitet hatte. Auch der im Februar dieses
Jahres verstorbene Philosoph Rüdiger Bubner, damals Assistent bei Gadamer, förder-
te mich sehr durch ein Proseminar über Plato und die Sophistik und nicht wenige
lange Cafehaus-Gespräche. Er veranlasste mich, die Linkshegelianer und Marx’ Kri-
tik an ihrer Praxis- und Befreiungsrhetorik zu studieren, noch vor den 68er Jahren.
Mit einem kleinen alttestamentlichen, patristischen und philosophischen Gepäck
ging ich im 5. Semester nach Tübingen, um mich auf die Fächer Systematische
Theologie und Neues Testament zu konzentrieren.
Nachdem ich im Hauptseminar von Jürgen Moltmann eine Arbeitsgruppe
über Carl Schmitt geleitet hatte, bot er mir im 6. Semester an, eine Dissertation über
em Thema meiner Wahl zu schreiben. In einer Mischung aus Naivität und Größen-
wahnsinn, die vielleicht im Alter von 21 Jahren noch verzeihlich ist, schlug ich das
Thema vor: „Kritik der Rezeption des neuzeitlichen Autonomiebegriffs in neuerer
evangelischer Theologie“. Nachdem Moltmann das Thema abgesegnet hatte, ging
ich wieder zurück nach Heidelberg. Einerseits meinte ich, von Dieter Henrich für
diese Arbeit das beste Rüstzeug bekommen zu können, andererseits hatte ich in
Tübingen meine spätere Frau kennen gelernt, in die ich mich so sehr verliebte, dass
die Kommunikation mit ihr und die Produktion von Gedichten (arbeitsaufwändiger
Höhepunkt war ein Sonnettenkranz) alle weitere geistige Betrachtung der Dinge ins
Marginale zu drängen drohte.
Ich mietete zusammen mit einem befreundeten Wirtschaftswissenschaftler eine
Wohnung in Schwetzingen und begann mit intensivem Klassikerstudium: Kant,
Fichte, Schelling, Hegel. Diese äußerst fruchtbare Zeit wurde durch den frühen Tod
meines Vaters unterbrochen. Ich musste mich ein Semester lang vor allem um die
Konsolidierung der Familie kümmern. Wohl um mich zu trösten, bot Moltmann mir
nicht nur eine Hilfskraftstelle an, sondern übertrug mir auch in eben diesem Seme-
ster die Leitung der einen Hälfte seines Hauptseminars. Ich wechselte also wieder
nach Tübingen, heiratete, promovierte und wurde Assistent am Lehrstuhl Moltmann.
 
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