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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Antrittsreden
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Holstein, Thomas W.: Antrittsrede vom 27. Oktober 2007
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0146
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Thomas W Holstein | 159

York, war davor bei Alfred Gierer in Tübingen Postdoktorand und hatte davor bei
Max Delbrück am CALTECH und in Köln promoviert. In Tübingen hatte Alfred
Gierer, der wie Delbrück Molekularbiologe war, am Max-Planck-Institut fürVirus-
forschung (seit 1984 MPI für Entwicklungsbiologie), Hydra als Modelsystem ausge-
wählt, um mit seiner Gruppe an diesem einfachen System die Prinzipien der räum-
lichen Musterbildung zu studieren. Zusammen mit Hans Meinhardt hatte er eine
Theorie der biologischen Musterbildung auszuarbeiten, um mit Reaktions-Diffusi-
onsgleichungen Bedingungen zu definieren, wie biologische Muster aus anfänglich
nahezu homogenen Bedingungen entstehen können. Dies ist exakt das Problem der
Embryonalentwicklung und kann quasi in Reinform an regenerierendem Hydrage-
webe studiert werden. Meine Projekte begannen mit Zellzyklusanalysen von Hydra-
stammzellen und dehnten sich später auf genetische Screens nach Genen der
Musterbildung aus. Das Münchener Labor war defakto ein amerikanisches Labor in
Deutschland, und was der manchmal technikverliebte junge Wissenschaftler lernen
konnte, war das Primat der wissenschaftlichen Fragen sowie das rigorose und kom-
promißlose Hinterfragen von Zusammenhängen. Dies war eine äußerst stimulieren-
de Zeit mit vielen langen Diskussionen. Besonders auch die Münchener Glyptothek
war wichtig mit ihremgenins loci. Hier sind viele neue Projekte entstanden, frei nach
dem Motto „Ein schöner Ort ist wichtig, um gute Gedanken zu entwickeln“. Her-
vorzuheben ist aber insbesondere das von Charles David initiierte entwicklungsbio-
logische Schwerpunktprogramm der DFG (1985-1994), wo die von Christiane Nüs-
slern-Volhard und ihren Kollegen bei der Fruchtfliege gemachten Entdeckungen
direkte Impulse für die molekulare Entschlüsselung der anderen Entwicklungsme-
chanismen bei Wirbeltieren und anderen Entwicklungssystemen gaben.
Nach meiner Habilitation (1990), erhielt ich 1992 den Ruf auf eine C3-Pro-
fessur für Zellbiologie nach Frankfurt, den ich nach kurzen Verhandlungen annahm,
so daß ich zum Sommersemester 1993 an die Johann-Wolfgang-Goethe wechselte.
Für meine damals mittlerweile sechsköpfige Familie wurde dieser Schritt, wenn auch
nur kurzeitig, als die „Vertreibung aus dem „Bayrischen und Münchener Paradies“
angesehen. Für mich bedeutete Frankfurt den Aufbau meines eigenen Labors und
die Chance, mit eigener und guter Ausstattung die in München begonnen Arbeiten
zur Musterbildung bei Hydra fortzusetzen. Wir haben in Frankfurt auch unsere
molekularen Arbeiten zur Entstehung des Nervensystems und der Körperachse der
Cnidaria aufgenommen. Zugleich habe ich nach weiteren Modellsystemen gesucht,
um genetische Experimente zur Embryonalentwicklung und zum Lebenszyklus der
Cnidaria durchführen zu können. In dieser Zeit haben wir daher auch begonnen, mit
der Seeanemone Nematostella vectensis zu arbeiten. Die Teilnahme an zwei Sonder-
forschungsbereichen der DFG ermöglichte meiner rasch wachsenden Arbeitsgruppe
zumal sehr gute Forschungsbedingungen. Durch zwei Gastprofessuren für Entwick-
lungsbiologie in Wien (1993 und 1995) konnte ich außerdem die Kooperationen mit
den evolutionsbiologisch arbeitenden Gruppen in Österreich intensivieren, beson-
ders mit Reinhard Rieger, Hans Splechtna und Luitfried von Salvini-Plawen. Es
folgten 1995/1996 Rufe auf Lehrstühle für Zell- und Entwicklungsbiologie an den
Universitäten Wien, Karlsruhe und Darmstadt.
 
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