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NACHRUFE
rinnerungen: „Dem guten Zuhören können und sachten Lenken eines Gesprächs,
dem Lachen und Schmunzeln können stand... das eher schwach entwickelte Vermö-
gen gegenüber, selbst ein leichtes, tändelndes Gespräch zu fuhren...kurz, im small talk
mit dem Gegenüber umgehen zu können“. Eine andere Stelle zeigt wie sehr er sich
in seinen sozialen Bezügen rücksichtsvoll kontrollierte: „Das Leben lehrte mich, dass
die in der Jugend gerne geforderte kompromisslose Offenheit unnötig verletzend
sein kann, dass vielmehr Andeutungen, die dem Mitmenschen die Möglichkeit des
Aufhorchens und des Einfuhlens lassen, liebevoller und letztlich ehrlicher sind, weil
sie nicht schrecken, sondern Verständnis wecken. Wahrheit ja und immer, nicht aber
Schonungslosigkeit. Schließlich gibt es noch eine Scham sich selbst gegenüber, vor
allem jedoch die Sorge, Nahestehende verletzen, beunruhigen, verstören zu kön-
nen“ (2).
In Berlin als Sohn eines hohen Finanzbeamten geboren verbrachte er die
Kindheit im durch die Marine geprägten Kiel und die Schulzeit in einem bildungs-
bürgerlichen Milieu in Stuttgart. Nach Kriegsende folgte bis 1950 das Medizin-
studium in München, mit begeisterten Vorlesungsbesuchen auch in Psychologie,
Philosophie, Kunstgeschichte, Musik und politischem Journalismus in Nebentätig-
keit. Lebenslang hat er dieses breite Spektrum von Interessen beibehalten und
gepflegt. Famulaturen, die Promotion über die „Psychopathologie einer Mongoloi-
den“ und erste klinische Erfahrungen bei dem Psychiater Georg Stertz, ebenfalls in
München waren gefolgt von einer Ausbildung in klinischer Neurophysiologie bei
Richard Jung in Freiburg und, wieder in München, einer mehr als viegährigen
neuropathologisch-wissenschaftlichen Arbeit über degenerative Hirnerkrankungen
bei Willibald Scholz an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie — nachfol-
gend Max-Planck-Institut. Dann schloss Peiffer seine Facharztausbildung bei Hein-
rich Scheller in Würzburg ab und habilitierte sich über „Morphologische Aspekte
der Epilepsien“. Es folgten zwei Jahre der Tätigkeit als leitender Oberarzt der Uni-
versitätsneurologie bei dem stark internistisch orientierten Friedrich Erbslöh in
Gießen, mit Aufbau der ersten neurologischen Intensivstation.
1964 erreichte ihn nach ganz ungewöhnlich breiter klinischer und wissen-
schaftlicher Ausbildung, die ihn eigentlich für einen klinischen Lehrstuhl prädesti-
nierte, der Ruf auf den Lehrstuhl für Neuropathologie in Tübingen. Dies war ver-
bunden mit der sicher schweren Entscheidung, die klinische Tätigkeit aufzugeben
und sich ganz der Leitung eines Forschungsinstitutes zu widmen, während die
Neuropathologie noch an der Mehrzahl der Kliniken unselbständig in die Psychia-
trie oder die Pathologie integriert war. Peiffer hat nachfolgend viel für die Entwick-
lung einer selbständigen Neuropathologie mit eigener Facharztanerkennung getan.
Das wissenschaftliche Werk Jürgen Peiffers und seiner Mitarbeiter imponiert
durch seine Breite, durch die frühe Auseinandersetzung mit den biochemischen und
den molekularen Grundlagen der Krankheitsentstehung, vor allem bei den Stoff-
wechselerkrankungen und den Neurodegenerationen, und durch die Nähe zu den
Problemen der Klinik. Seine Fallbesprechungen mit den Neurologen, Neurochirur-
gen und Neuroradiologen waren äußerst anregend und daher stark besucht. Auch
der emeritierte Internist Hans-Ehrhard Bock erschien und diskutierte lebhaft. Die
NACHRUFE
rinnerungen: „Dem guten Zuhören können und sachten Lenken eines Gesprächs,
dem Lachen und Schmunzeln können stand... das eher schwach entwickelte Vermö-
gen gegenüber, selbst ein leichtes, tändelndes Gespräch zu fuhren...kurz, im small talk
mit dem Gegenüber umgehen zu können“. Eine andere Stelle zeigt wie sehr er sich
in seinen sozialen Bezügen rücksichtsvoll kontrollierte: „Das Leben lehrte mich, dass
die in der Jugend gerne geforderte kompromisslose Offenheit unnötig verletzend
sein kann, dass vielmehr Andeutungen, die dem Mitmenschen die Möglichkeit des
Aufhorchens und des Einfuhlens lassen, liebevoller und letztlich ehrlicher sind, weil
sie nicht schrecken, sondern Verständnis wecken. Wahrheit ja und immer, nicht aber
Schonungslosigkeit. Schließlich gibt es noch eine Scham sich selbst gegenüber, vor
allem jedoch die Sorge, Nahestehende verletzen, beunruhigen, verstören zu kön-
nen“ (2).
In Berlin als Sohn eines hohen Finanzbeamten geboren verbrachte er die
Kindheit im durch die Marine geprägten Kiel und die Schulzeit in einem bildungs-
bürgerlichen Milieu in Stuttgart. Nach Kriegsende folgte bis 1950 das Medizin-
studium in München, mit begeisterten Vorlesungsbesuchen auch in Psychologie,
Philosophie, Kunstgeschichte, Musik und politischem Journalismus in Nebentätig-
keit. Lebenslang hat er dieses breite Spektrum von Interessen beibehalten und
gepflegt. Famulaturen, die Promotion über die „Psychopathologie einer Mongoloi-
den“ und erste klinische Erfahrungen bei dem Psychiater Georg Stertz, ebenfalls in
München waren gefolgt von einer Ausbildung in klinischer Neurophysiologie bei
Richard Jung in Freiburg und, wieder in München, einer mehr als viegährigen
neuropathologisch-wissenschaftlichen Arbeit über degenerative Hirnerkrankungen
bei Willibald Scholz an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie — nachfol-
gend Max-Planck-Institut. Dann schloss Peiffer seine Facharztausbildung bei Hein-
rich Scheller in Würzburg ab und habilitierte sich über „Morphologische Aspekte
der Epilepsien“. Es folgten zwei Jahre der Tätigkeit als leitender Oberarzt der Uni-
versitätsneurologie bei dem stark internistisch orientierten Friedrich Erbslöh in
Gießen, mit Aufbau der ersten neurologischen Intensivstation.
1964 erreichte ihn nach ganz ungewöhnlich breiter klinischer und wissen-
schaftlicher Ausbildung, die ihn eigentlich für einen klinischen Lehrstuhl prädesti-
nierte, der Ruf auf den Lehrstuhl für Neuropathologie in Tübingen. Dies war ver-
bunden mit der sicher schweren Entscheidung, die klinische Tätigkeit aufzugeben
und sich ganz der Leitung eines Forschungsinstitutes zu widmen, während die
Neuropathologie noch an der Mehrzahl der Kliniken unselbständig in die Psychia-
trie oder die Pathologie integriert war. Peiffer hat nachfolgend viel für die Entwick-
lung einer selbständigen Neuropathologie mit eigener Facharztanerkennung getan.
Das wissenschaftliche Werk Jürgen Peiffers und seiner Mitarbeiter imponiert
durch seine Breite, durch die frühe Auseinandersetzung mit den biochemischen und
den molekularen Grundlagen der Krankheitsentstehung, vor allem bei den Stoff-
wechselerkrankungen und den Neurodegenerationen, und durch die Nähe zu den
Problemen der Klinik. Seine Fallbesprechungen mit den Neurologen, Neurochirur-
gen und Neuroradiologen waren äußerst anregend und daher stark besucht. Auch
der emeritierte Internist Hans-Ehrhard Bock erschien und diskutierte lebhaft. Die