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NACHRUFE
Es war eine bemerkenswerte Leistung, em Fach zu definieren und institutio-
nell zu verankern, welches zuvor nicht existiert hatte. Dazu bedurfte es einer unab-
hängigen Persönlichkeit mit Durchsetzungskraft. Zugute kamen Seckel em geeigne-
tes Umfeld, Verständnis und Sympathie in der Fakultät und in der Universität, und
auch im Ministerium. Er wusste die Gunst der Stunde zu nutzen. Entscheidende
Anstöße für die Einrichtung des zweiten Ordinariats des Faches im deutschen
Sprachgebiet, in Zürich, gingen ebenfalls von ihm aus.
Die Etablierung der ostasiatischen Kunstgeschichte als akademische Disziplin
ist nur eine von Seckels Lebensleistungen. Er war ein engagierter und erfolgreicher
akademischer Lehrer. In drei Jahrzehnten promovierte er zwar nur sieben Schüler,
aber von diesen wurden vier Professoren. Nach seiner Emeritierung wurde er zum
korrespondierenden Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
gewählt.
Seckel verstand sich als Citoyen. Als Bürger Heidelbergs nahm er kritisch
gestaltend am Gemeinwesen teil, er wirkte im Kuratorium des Völkerkundemuseums
als geschätzter Ratgeber, und er nutzte die Volkshochschule, um in vielen Vorträgen
wie ein Missionar von Ostasien zu künden.
Seckels mentale und weltanschauliche Wurzeln reichen ms preußische Berlin
der 1920er und 1930er Jahre. Diese faszinierende Epoche der neueren deutschen
Geistesgeschichte prägte seine Wertvorstellungen und als ihr geachteter Zeitzeuge
wurde er immer wieder von neuen und neugierigen Studentengenerationen dazu
befragt.
Uber seinen Werdegang und seine Publikationen hat uns Seckel 1981 ausführ-
lich und umfassend informiert.1 Zu der damals vorgelegten langen Liste von Ver-
öffentlichungen sind in dem Vierteljahrhundert danach noch zwei wichtige Werke
hinzugekommen. In einer mit dem Prix Stanislas Julien ausgezeichneten philolo-
gisch-buddhologischen Studie untersucht er die Bedeutung der Namen von hun-
derten von japanischen Tempeln.2 Danut kehrte er zu seinen philologischen Anfän-
gen zurück und stellte erneut die systematische Kraft unter Beweis, die sein ganzes
Schaffen auszeichnet. Jeder Tempelname ist einer bestimmten Kategorie in einer
komplizierten Systematik zugeordnet, in der sich der Kosmos des Buddhismus in sei-
ner ganzen Komplexität widerspiegelt.
Systematik kennzeichnet auch Seckels großes Alterswerk über das Porträt in
Ostasien, in dem er zum ersten Mal dieses immense Gebiet in seiner Gesamtheit
behandelt und ordnet. Dazu später mehr. Zunächst soll auf sein Werk aus seiner
Lebensmitte, d.h. aus den Zwei jahrzehnten vor seiner Emeritierung 1965 eingegan-
gen werden. Aus dieser Periode stammt auch die hier abgebildete, von Frau Inge-
1 Dietrich Seckel, Schriftenverzeichnis. Mit einem autobiographischen Essay: Mein Weg zur Kunst Ost-
asiens. (Heidelberger Schriften zur Ostasienkunde 2). Frankfurt/Main: Haag und Herchen, 1981.
Herausgegeben von Günther Debon und Lothar Ledderose.
2 Tempelnamen in Japan. (Münchner Ostasiatische Studien 37). Wiesbaden: Franz Steiner, 1985.
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Es war eine bemerkenswerte Leistung, em Fach zu definieren und institutio-
nell zu verankern, welches zuvor nicht existiert hatte. Dazu bedurfte es einer unab-
hängigen Persönlichkeit mit Durchsetzungskraft. Zugute kamen Seckel em geeigne-
tes Umfeld, Verständnis und Sympathie in der Fakultät und in der Universität, und
auch im Ministerium. Er wusste die Gunst der Stunde zu nutzen. Entscheidende
Anstöße für die Einrichtung des zweiten Ordinariats des Faches im deutschen
Sprachgebiet, in Zürich, gingen ebenfalls von ihm aus.
Die Etablierung der ostasiatischen Kunstgeschichte als akademische Disziplin
ist nur eine von Seckels Lebensleistungen. Er war ein engagierter und erfolgreicher
akademischer Lehrer. In drei Jahrzehnten promovierte er zwar nur sieben Schüler,
aber von diesen wurden vier Professoren. Nach seiner Emeritierung wurde er zum
korrespondierenden Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
gewählt.
Seckel verstand sich als Citoyen. Als Bürger Heidelbergs nahm er kritisch
gestaltend am Gemeinwesen teil, er wirkte im Kuratorium des Völkerkundemuseums
als geschätzter Ratgeber, und er nutzte die Volkshochschule, um in vielen Vorträgen
wie ein Missionar von Ostasien zu künden.
Seckels mentale und weltanschauliche Wurzeln reichen ms preußische Berlin
der 1920er und 1930er Jahre. Diese faszinierende Epoche der neueren deutschen
Geistesgeschichte prägte seine Wertvorstellungen und als ihr geachteter Zeitzeuge
wurde er immer wieder von neuen und neugierigen Studentengenerationen dazu
befragt.
Uber seinen Werdegang und seine Publikationen hat uns Seckel 1981 ausführ-
lich und umfassend informiert.1 Zu der damals vorgelegten langen Liste von Ver-
öffentlichungen sind in dem Vierteljahrhundert danach noch zwei wichtige Werke
hinzugekommen. In einer mit dem Prix Stanislas Julien ausgezeichneten philolo-
gisch-buddhologischen Studie untersucht er die Bedeutung der Namen von hun-
derten von japanischen Tempeln.2 Danut kehrte er zu seinen philologischen Anfän-
gen zurück und stellte erneut die systematische Kraft unter Beweis, die sein ganzes
Schaffen auszeichnet. Jeder Tempelname ist einer bestimmten Kategorie in einer
komplizierten Systematik zugeordnet, in der sich der Kosmos des Buddhismus in sei-
ner ganzen Komplexität widerspiegelt.
Systematik kennzeichnet auch Seckels großes Alterswerk über das Porträt in
Ostasien, in dem er zum ersten Mal dieses immense Gebiet in seiner Gesamtheit
behandelt und ordnet. Dazu später mehr. Zunächst soll auf sein Werk aus seiner
Lebensmitte, d.h. aus den Zwei jahrzehnten vor seiner Emeritierung 1965 eingegan-
gen werden. Aus dieser Periode stammt auch die hier abgebildete, von Frau Inge-
1 Dietrich Seckel, Schriftenverzeichnis. Mit einem autobiographischen Essay: Mein Weg zur Kunst Ost-
asiens. (Heidelberger Schriften zur Ostasienkunde 2). Frankfurt/Main: Haag und Herchen, 1981.
Herausgegeben von Günther Debon und Lothar Ledderose.
2 Tempelnamen in Japan. (Münchner Ostasiatische Studien 37). Wiesbaden: Franz Steiner, 1985.