Dietrich Seckel
187
borg Klinger angefertigte Porträtphotographie. Es ist das Bild, welches er von sich
der Nachwelt überliefert haben wollte.
Damals ist er im Sommer von Kleingemünd über die von Birnbäumen
gesäumte kleine Landstraße am nördlichen Neckarufer zur Universität geradelt, um
hier montags und dienstags Kolleg und Seminar zu halten. Oft brachte er dabei auf
dem Gepäckträger wertvolle Bände aus seiner in Deutschland einmaligen Privatbib-
liothek mit, die er aus Japan hatte retten können.
Zwei Bücher aus dieser Zeit markieren die gegensätzlichen Pole seiner wis-
senschaftlichen Arbeitsweise: die Buddhistische Kunst Ostasiens (1957 bei Kohlhammer
in Stuttgart) ist wohl sein Hauptwerk, in dem er dieses Feld in seiner Gesamtheit in
den Blick nimmt. Es wäre etwa vergleichbar mit einer Abhandlung der christlichen
Kunst Europas in einem Band. Das ambitiöse Unternehmen wurde nur möglich
durch Seckels ordnenden Zugriff.
Den zweiten Pol exemplifiziert das Buch Einführung in die Kunst Ostasiens,
erschienen 1960 bei Piper in München. Auch dies ist ein Überblick, sogar über die
gesamte Kunst Ostasiens, aber die Darstellungsweise ist diametral verschieden. Das
Buch besteht aus 34 unabhängigen Interpretationen jeweils nur eines Werkes. Inten-
sive monographische Werkanalysen galten zu dieser Zeit als Desiderat in der deut-
schen Kunstgeschichtsschreibung. Man denke an Hans Sedlmayrs Aufsehen erregen-
de, so genannten Strukturanalysen der 1950er Jahre, die damalige Serie der Werk-
monographien des Reklam-Verlags, oder die spätere Serie Das Kunstwerk.
Die Einleitung zu jeder der 34 Interpretationen bildet eine Beschreibung des
jeweiligen Gegenstandes in Seckels reicher, empfindsamer, und präziser Sprache. Die
analysierende Beschreibung der gestalteten Form ist eine weitere von Seckels Stär-
ken, und er verteidigte ihren methodischen Wert bisweilen unter Berufung auf das
Vorbild des Altmeisters der Formanalyse, Heinrich Wölfflm, den er 1930 in Berlin
noch selbst gehört hatte. Übrigens zeichnet sich auch Seckels berühmte Dissertation
über Hölderlins Sprachrhythmus, die 1967 noch einmal nachgedruckt wurde, durch
ihre systematischen und differenzierten Formanalysen aus.
1962 folgte eine weitere Überblicksdarstellung der buddhistischen Kunst, die-
ses Mal nicht nur Ostasiens, sondern der gesamten buddhistischen Kunst, Kunst des
Buddhismus: Werden, Wanderung und Wandlung. Es war ein Band in der Serie „Kunst
der Welt“ des Baden-Badener Verlegers Holle, der seine Autoren zwang, sich kurz zu
fassen. Obwohl das Material noch umfangreicher war als das der Buddhistischen Kunst
Ostasiens, erlaubte Holle nur einen Bruchteil des Textvolumens. Den eloquenten
Autor muss das hart angekommen sein. Die Kunst des Buddhismus wurde Seckels
erfolgreichstes Buch. Schon vier Jahre nach seinem Erscheinen war es ins Spanische,
Italienische, Französische, Englische, Holländische, Schwedische und ins Hebräische
übersetzt. Noch heute, nach über 40 Jahren, wird es als Textbuch benutzt.
Die Autoren von mehreren Bänden der Serie waren Seckels Heidelberger Kol-
legen: Karl Jettmar steuerte einen Band über die Kunst der Steppenvölker bei, Her-
man Götz schrieb über indische Kunst, und Katharina Otto-Dohrn, die sich gleich-
zeitig mit Seckel in Heidelberg habilitiert hatte, über die Kunst des Islam. Diese
zukunftweisende Konstellation ließ damals den Plan einer Weltkunstgeschichte in
187
borg Klinger angefertigte Porträtphotographie. Es ist das Bild, welches er von sich
der Nachwelt überliefert haben wollte.
Damals ist er im Sommer von Kleingemünd über die von Birnbäumen
gesäumte kleine Landstraße am nördlichen Neckarufer zur Universität geradelt, um
hier montags und dienstags Kolleg und Seminar zu halten. Oft brachte er dabei auf
dem Gepäckträger wertvolle Bände aus seiner in Deutschland einmaligen Privatbib-
liothek mit, die er aus Japan hatte retten können.
Zwei Bücher aus dieser Zeit markieren die gegensätzlichen Pole seiner wis-
senschaftlichen Arbeitsweise: die Buddhistische Kunst Ostasiens (1957 bei Kohlhammer
in Stuttgart) ist wohl sein Hauptwerk, in dem er dieses Feld in seiner Gesamtheit in
den Blick nimmt. Es wäre etwa vergleichbar mit einer Abhandlung der christlichen
Kunst Europas in einem Band. Das ambitiöse Unternehmen wurde nur möglich
durch Seckels ordnenden Zugriff.
Den zweiten Pol exemplifiziert das Buch Einführung in die Kunst Ostasiens,
erschienen 1960 bei Piper in München. Auch dies ist ein Überblick, sogar über die
gesamte Kunst Ostasiens, aber die Darstellungsweise ist diametral verschieden. Das
Buch besteht aus 34 unabhängigen Interpretationen jeweils nur eines Werkes. Inten-
sive monographische Werkanalysen galten zu dieser Zeit als Desiderat in der deut-
schen Kunstgeschichtsschreibung. Man denke an Hans Sedlmayrs Aufsehen erregen-
de, so genannten Strukturanalysen der 1950er Jahre, die damalige Serie der Werk-
monographien des Reklam-Verlags, oder die spätere Serie Das Kunstwerk.
Die Einleitung zu jeder der 34 Interpretationen bildet eine Beschreibung des
jeweiligen Gegenstandes in Seckels reicher, empfindsamer, und präziser Sprache. Die
analysierende Beschreibung der gestalteten Form ist eine weitere von Seckels Stär-
ken, und er verteidigte ihren methodischen Wert bisweilen unter Berufung auf das
Vorbild des Altmeisters der Formanalyse, Heinrich Wölfflm, den er 1930 in Berlin
noch selbst gehört hatte. Übrigens zeichnet sich auch Seckels berühmte Dissertation
über Hölderlins Sprachrhythmus, die 1967 noch einmal nachgedruckt wurde, durch
ihre systematischen und differenzierten Formanalysen aus.
1962 folgte eine weitere Überblicksdarstellung der buddhistischen Kunst, die-
ses Mal nicht nur Ostasiens, sondern der gesamten buddhistischen Kunst, Kunst des
Buddhismus: Werden, Wanderung und Wandlung. Es war ein Band in der Serie „Kunst
der Welt“ des Baden-Badener Verlegers Holle, der seine Autoren zwang, sich kurz zu
fassen. Obwohl das Material noch umfangreicher war als das der Buddhistischen Kunst
Ostasiens, erlaubte Holle nur einen Bruchteil des Textvolumens. Den eloquenten
Autor muss das hart angekommen sein. Die Kunst des Buddhismus wurde Seckels
erfolgreichstes Buch. Schon vier Jahre nach seinem Erscheinen war es ins Spanische,
Italienische, Französische, Englische, Holländische, Schwedische und ins Hebräische
übersetzt. Noch heute, nach über 40 Jahren, wird es als Textbuch benutzt.
Die Autoren von mehreren Bänden der Serie waren Seckels Heidelberger Kol-
legen: Karl Jettmar steuerte einen Band über die Kunst der Steppenvölker bei, Her-
man Götz schrieb über indische Kunst, und Katharina Otto-Dohrn, die sich gleich-
zeitig mit Seckel in Heidelberg habilitiert hatte, über die Kunst des Islam. Diese
zukunftweisende Konstellation ließ damals den Plan einer Weltkunstgeschichte in