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sowie die von der Spätantike bis ins Hochmittelalter reichenden Beziehungen Mit-
teleuropas zur mediterranen und orientalischen Welt. Dieser weit gespannte For-
schungsansatz ist schon seiner 1958 in überarbeiteten Form erschienenen Disserta-
tion „Die fränkischen Altertümer des Trierer Landes“ zugrunde gelegt, in der er
eine Darstellung zur Chronologie der Altertümer des Frankenreiches vom 5.-7.
Jahrhundert lieferte. Diese Arbeit nahm, den Methoden seines zweiten Lehrers Frie-
drich Holste folgend, zum ersten Mal allein aufgrund einer archäologischen Analy-
se des Fundmaterials eine Ordnung in Gruppen vor, die durch in den Gräbern
gefundene Münzen absolut datiert werden konnten. Die von ihm erarbeitete Chro-
nologie und Stilgeschichte, die er in Vorträgen auf den internationalen Kongressen
für Ur- und Frühgeschichte in Prag 1966, Belgrad 1971 und Nizza 1976 in erwei-
terter Form vorstellte, sollte für viele Jahre die Grundlage für Untersuchungen zur
Geschichte des Merowinger- und Frankenreiches werden. Mit der Veröffentlichung
dieses Werks wurde zugleich auch die von der Römisch-Germanischen Kommissi-
on in Frankfurt herausgegebene Reihe „Germanische Denkmäler der Völkerwan-
derungszeit“, Serie B, eingeleitet, die er bis Band 19 betreut hat. Dem Herausgeber
selbst sind zu dieser Thematik beispielhalfte Arbeiten über bedeutende Grablegen
der Merowingerzeit, wie das Grab des Königs Childerich in Tournai (1950), das
Grab eines fränkischen Herrn von Morken (1959), die fürstlichen Gräber im Köl-
ner Dom (1968) und zuletzt das Grab einer alemannischen Dame aus Wittislingen
(2007) zu verdanken.
Seme frühen Studien zur historischen Topographie knüpften an Vorarbeiten an,
die J. Steinhausen während seiner archäologischen Landesaufnahme im Trierer Land
zwischen 1920 und 1940 vorgenommen hatte.Von den einzelnen Fundstellen ausge-
hend und unter Berücksichtigung schriftlicher Überlieferung strebte er eine Rekon-
struktion der Siedlungsgeschichte sowohl für einzelne Gemarkungen der Rheinlan-
de wie für größere Kulturlandschaften des alemannisch-fränkischen Raumes an. Die-
selbe Vorgehensweise ist auch seinen Untersuchungen zur Frage der von der
Römerzeit zum Mittelalter reichenden Kontinuität ländlicher wie städtischer Sied-
lungen im Rhein-Moselland wie Alzey, Andernach, Bonn, Eltville, Ingelheim, Mainz,
Trier und Xanten zugrunde gelegt. Zur Kenntnis der frühmittelalterlichen Wirt-
schaftsgeschichte hat er durch die Eingrenzung größerer Produktionszentren im 6.-
9. Jahrhundert beigetragen. Ausgehend von den Großtöpfereien in Mayen gelang ihm
der Nachweis bedeutender Keramikproduktionszentren zwischen Rhein und Maas,
die dieses Gebiet mit ihren Erzeugnissen belieferten. Mit dieser Feststellung wurde
der bis dahin gültigen Vorstellung widersprochen, die von einem lokalen Kleinhand-
werk im Frühmittelalter ausgegangen war. Böhner entwickelte das Bild von großen
Grundherrschaften, die als Träger dieser zentralen Wirtschaftszentren agierten.
Spezielle Studien widmete Böhner den von der byzantinisch-mediterranen
Welt ausgehenden Einflüssen auf die Kultur des Merowinger- und Frankenreichs. An
Steindenkmälern des 7. Jahrhunderts zeigte er, in welcher Form Elemente spätanti-
ker Bildwelt im alemannisch-fränkischen Bereich nördlich der Alpen aufgenommen
und „barbarisiert“ wurden. Er verfolgte das Vordringen solcher Bildtypen bis in den
skandinavischen Raum. Damit gewann er eine neue Sichtweise für die Einordnung
der germanischen Kulturwelt in die Randkulturen der Spätantike.
NACHRUFE
sowie die von der Spätantike bis ins Hochmittelalter reichenden Beziehungen Mit-
teleuropas zur mediterranen und orientalischen Welt. Dieser weit gespannte For-
schungsansatz ist schon seiner 1958 in überarbeiteten Form erschienenen Disserta-
tion „Die fränkischen Altertümer des Trierer Landes“ zugrunde gelegt, in der er
eine Darstellung zur Chronologie der Altertümer des Frankenreiches vom 5.-7.
Jahrhundert lieferte. Diese Arbeit nahm, den Methoden seines zweiten Lehrers Frie-
drich Holste folgend, zum ersten Mal allein aufgrund einer archäologischen Analy-
se des Fundmaterials eine Ordnung in Gruppen vor, die durch in den Gräbern
gefundene Münzen absolut datiert werden konnten. Die von ihm erarbeitete Chro-
nologie und Stilgeschichte, die er in Vorträgen auf den internationalen Kongressen
für Ur- und Frühgeschichte in Prag 1966, Belgrad 1971 und Nizza 1976 in erwei-
terter Form vorstellte, sollte für viele Jahre die Grundlage für Untersuchungen zur
Geschichte des Merowinger- und Frankenreiches werden. Mit der Veröffentlichung
dieses Werks wurde zugleich auch die von der Römisch-Germanischen Kommissi-
on in Frankfurt herausgegebene Reihe „Germanische Denkmäler der Völkerwan-
derungszeit“, Serie B, eingeleitet, die er bis Band 19 betreut hat. Dem Herausgeber
selbst sind zu dieser Thematik beispielhalfte Arbeiten über bedeutende Grablegen
der Merowingerzeit, wie das Grab des Königs Childerich in Tournai (1950), das
Grab eines fränkischen Herrn von Morken (1959), die fürstlichen Gräber im Köl-
ner Dom (1968) und zuletzt das Grab einer alemannischen Dame aus Wittislingen
(2007) zu verdanken.
Seme frühen Studien zur historischen Topographie knüpften an Vorarbeiten an,
die J. Steinhausen während seiner archäologischen Landesaufnahme im Trierer Land
zwischen 1920 und 1940 vorgenommen hatte.Von den einzelnen Fundstellen ausge-
hend und unter Berücksichtigung schriftlicher Überlieferung strebte er eine Rekon-
struktion der Siedlungsgeschichte sowohl für einzelne Gemarkungen der Rheinlan-
de wie für größere Kulturlandschaften des alemannisch-fränkischen Raumes an. Die-
selbe Vorgehensweise ist auch seinen Untersuchungen zur Frage der von der
Römerzeit zum Mittelalter reichenden Kontinuität ländlicher wie städtischer Sied-
lungen im Rhein-Moselland wie Alzey, Andernach, Bonn, Eltville, Ingelheim, Mainz,
Trier und Xanten zugrunde gelegt. Zur Kenntnis der frühmittelalterlichen Wirt-
schaftsgeschichte hat er durch die Eingrenzung größerer Produktionszentren im 6.-
9. Jahrhundert beigetragen. Ausgehend von den Großtöpfereien in Mayen gelang ihm
der Nachweis bedeutender Keramikproduktionszentren zwischen Rhein und Maas,
die dieses Gebiet mit ihren Erzeugnissen belieferten. Mit dieser Feststellung wurde
der bis dahin gültigen Vorstellung widersprochen, die von einem lokalen Kleinhand-
werk im Frühmittelalter ausgegangen war. Böhner entwickelte das Bild von großen
Grundherrschaften, die als Träger dieser zentralen Wirtschaftszentren agierten.
Spezielle Studien widmete Böhner den von der byzantinisch-mediterranen
Welt ausgehenden Einflüssen auf die Kultur des Merowinger- und Frankenreichs. An
Steindenkmälern des 7. Jahrhunderts zeigte er, in welcher Form Elemente spätanti-
ker Bildwelt im alemannisch-fränkischen Bereich nördlich der Alpen aufgenommen
und „barbarisiert“ wurden. Er verfolgte das Vordringen solcher Bildtypen bis in den
skandinavischen Raum. Damit gewann er eine neue Sichtweise für die Einordnung
der germanischen Kulturwelt in die Randkulturen der Spätantike.