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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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II. Die Forschungsvorhaben
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Tätigkeitsberichte
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11. Edition des Reuchlin-Briefwechsels (Pforzheim)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0227
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240 | TÄTIGKEITSBERICHTE
rung eines auf viele Schreiber, ja fast auf die gesamte zeitgenössische Intelligenz ver-
teilten Briefverkehrs. Bekanntlich wurde Reuchlin zum Katalysator vorwärtsweisen-
der Konflikte am Ende des Mittelalters, und viele spätere Historiker usurpierten ihn
- nicht ohne Grund - als Protagonisten der modernen Denkfreiheiten. Das ist
anhand des Briefwechsels nun genauer zu überprüfen und ggf. zu differenzieren in
der ganzen Bandbreite seines Schaffens. Wer diese Briefe liest und dabei die unge-
mein dichten Erläuterungen und Verweise des Kommentars zu Hilfe nimmt, trifft auf
den Juristen, Politiker und Diplomaten, den humanistischen Literaten und Dichter,
den Hochschullehrer, spekulativen Philosophen,Theologen und Adepten der floren-
timschen Renaissancekultur, bald auch auf den großen Hebraisten, der sich mit
bewundernswürdiger Hartnäckigkeit mit dem jüdischen Schrifttum vertraut machte
und so seinen Zeitgenossen gegen starke Widerstände den Weg zur spezifischen
Geistigkeit dieses Schrifttums weisen wollte und weisen konnte. In der nun vorlie-
genden Korrespondenz lassen sich Stadien und Konnexionen jenes spektakulären
Zusammenpralls verfolgen, der als Judenbücher- oder Dunkelmännerstreit bekannt
wurde. Freunde und Gegner Reuchlins bildeten dabei publizistische Gruppen, Netz-
werke und geistige Lager, und gerade deshalb ging es bei der Arbeit am Briefwech-
sel nicht nur um die Hinterlassenschaft eines großen Humanisten, sondern zugleich
um die präzise Erschließung weitläufiger, auch in den Briefen an Reuchlin doku-
mentierter personeller Kontakte, um die Bildung von Solidaritäten, die das ganze alte
Reich und auch Italien umfaßten. Wer sich dem Reuchlin-Bnefwechsel widmet,
benötigt und demonstriert Kompetenzen weit über Reuchlin hinaus.
Gerade deshalb hat sich die Pforzheimer Arbeitsstelle zu einem Knotenpunkt
der deutschen Humanismusforschung entwickelt. Dies läßt sich auch ablesen an der
stattlichen Reihe (bisher 11 Bände) der Pforzheimer Reuchlinschriften, die wie
keine andere Reihe die so seltene und so erfolgreiche Kooperation einer kulturbe-
wußten Stadt mit der zuständigen Landesakademie sichtbar macht. An diesen Bän-
den haben Sie kontinuierlich mitgewirkt, haben daneben vor kurzem zur Begleitung
einer Pforzheimer Ausstellung noch ein ebenso gehaltvolles wie wunderbar illu-
striertes Buch über Reuchlins Bibliothek herausgebracht. Darin wie auch in weite-
ren Aufsätzen oder wissenschaftlichen Lexikonartikeln kann ein breiteres Publikum
von den Ergebnissen der hiesigen Reuchlinforschungen profitieren. Denn Ihr Enga-
gement erstreckte sich keinesfalls nur auf die fachwissenschaftliche Öffentlichkeit,
sondern wollte immer auch die Bürger Pforzheims ansprechen, und dies nicht nur
in schriftlichen Beiträgen sondern auch, wie ich es selbst bewundern konnte, in der
ebenso kundigen wie sensiblen Führung durch die von Ihnen betreute Ausstellung
über Reuchlins Bibliothek.
Wie ich höre, wird die Stadt Pforzheim im neuen Reuchlin-Museum an der
Schloßkirche diese Vermittlungsarbeit mit erfreulicher Intensität fortsetzen. Dies gilt
auch für die traditionelle Zusammenarbeit mit der Heidelberger Akademie nicht nur
beim renommierten Reuchlin-Preis, sondern auch in der Munifizenz dieser Stadt als
Namens- und Gastgeberin der künftigen Reuchlm-Colloquien, zunächst im kom-
menden Jahr unter dem Titel: „Reuchlins Gegner und Freunde. Konstellationen
eines frühneuzeitlichen Medienereignisses“.
 
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