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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
grundzulegen. In welcher Weise die Toleranzidee dabei unter maßgeblichem Einfluß
und erheblichem Erwartungsdruck der Politik letztlich am Wahrheitsexklusivismus
der Konfessionen scheitert, zeigt etwa das Beispiel der konfessionsversöhnenden
Bemühungen des Wolfenbütteier Theologen und Iremkers Georg Cahxt (1586—
1656) im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges.
Dennoch wirkt der Kernbestand der Toleranzidee, die dabei freilich charakte-
ristische Transformationen erfährt, auch noch in der Aufklärungsphilosophie fort, die
beispielsweise die Vorstellung weiterentwickelt, hinter den historischen und kultu-
rellen Erscheinungsformen, hinter Religionen und Konfessionen, stehe letztlich eine
einzige moralische, Vernunft- oder Menschheitsreligion, der gegenüber die histori-
schen Religionen lediglich sekundär, bestenfalls „Vehikel“ sind. Genau diese Über-
legung, die mit der christlichen Tradition (ebenso wie mit jeder anderen) zu brechen
scheint, läßt sich jedoch nur vor dem Hintergrund dieser Tradition verstehen, näm-
lich aufgrund des ‘doppelten Gesichtes’ des Christentums, das zugleich Religion der
individuellen Umkehr und des persönlichen Bekenntnisses einerseits sowie Staats-
religion andererseits ist. Diese Grundkonstellation wiederum begründet sowohl
gesteigerte Intoleranz als auch die Möglichkeit anspruchsvoller Konzepte von Frei-
heit und Toleranz: In der Spannung zwischen Innen und Außen entfaltet das Chri-
stentum eine besonders differenzierte Glaubenslehre mit einem scharf artikulierten
Wahrheitsanspruch: Um als Christ ‘rechtgläubig’ zu sein - und daran haben lange
Zeit gerade auch die Staaten ein hohes Interesse —, muß man sehr viele, teilweise
höchst elaborierte Inhalte für wahr halten — oder darf sie doch wenigstens nicht
ablehnen, Inhalte, die zu nicht geringem Teil etwa aufgrund ihrer komplexen, weit
zurückreichenden Genese nur für den Experten verständlich sind. Zugleich aber ist
stets klar, daß das Bekenntnis zu diesen Lehren die - sehr einfache, schlichte - Sache
des ‘inneren Menschen’ ist, dem kraft seiner Gottesebenbildlichkeit eine spezifische
Souveränität zukommt. Diese Dualität begründet also zugleich die Zuspitzung des
Wahrheitsgedankens, der folglich stets auch die Kontrolle und Regulierung von
Gesinnungen einschließt, und die Forcierung der individuellen Entscheidungskom-
petenz bis hm zur Verlegung von Religion und Moral in einen seelischen Innen-
raum, der von Recht und Politik klar unterschieden wird und unbedingten Respekt
beansprucht.
Religion als „innere“ Angelegenheit des Menschen, die gänzlich von Politik
und Recht getrennt werden könnte, sowie als Problem vernünftiger Erkenntnis ist
dem (sunnitischen) Islam hingegen im Grundsatz fremd, ebenso aber auch
Ansprüche einer „geistlichen Gewalt“ auf politische Oberhoheit gegenüber dem
Staat. Das Verhältnis von Religion, Wissenschaft, Recht und Politik ist im Islam ein
grundsätzlich anderes als im Christentum. Deshalb sind die Bedingungen für eine
originäre Aufklärung unter islamischen Voraussetzungen nicht gegeben. Aufklärung
ist aus diesem Grund genuin europäisch, nicht eine global zu postulierende, not-
wendige Entwicklungsstufe jeder beliebigen Kultur und Religion, die am Ende ihrer
Entwicklung in die Sphäre des allgemein Menschlichen vorstoßen sollte.
Es muß folglich nicht verwundern, wenn es Stimmen unter den Muslimen vor
allem im Ausland gibt, die sich gegen die westliche Zumutung einer notwendigen
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
grundzulegen. In welcher Weise die Toleranzidee dabei unter maßgeblichem Einfluß
und erheblichem Erwartungsdruck der Politik letztlich am Wahrheitsexklusivismus
der Konfessionen scheitert, zeigt etwa das Beispiel der konfessionsversöhnenden
Bemühungen des Wolfenbütteier Theologen und Iremkers Georg Cahxt (1586—
1656) im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges.
Dennoch wirkt der Kernbestand der Toleranzidee, die dabei freilich charakte-
ristische Transformationen erfährt, auch noch in der Aufklärungsphilosophie fort, die
beispielsweise die Vorstellung weiterentwickelt, hinter den historischen und kultu-
rellen Erscheinungsformen, hinter Religionen und Konfessionen, stehe letztlich eine
einzige moralische, Vernunft- oder Menschheitsreligion, der gegenüber die histori-
schen Religionen lediglich sekundär, bestenfalls „Vehikel“ sind. Genau diese Über-
legung, die mit der christlichen Tradition (ebenso wie mit jeder anderen) zu brechen
scheint, läßt sich jedoch nur vor dem Hintergrund dieser Tradition verstehen, näm-
lich aufgrund des ‘doppelten Gesichtes’ des Christentums, das zugleich Religion der
individuellen Umkehr und des persönlichen Bekenntnisses einerseits sowie Staats-
religion andererseits ist. Diese Grundkonstellation wiederum begründet sowohl
gesteigerte Intoleranz als auch die Möglichkeit anspruchsvoller Konzepte von Frei-
heit und Toleranz: In der Spannung zwischen Innen und Außen entfaltet das Chri-
stentum eine besonders differenzierte Glaubenslehre mit einem scharf artikulierten
Wahrheitsanspruch: Um als Christ ‘rechtgläubig’ zu sein - und daran haben lange
Zeit gerade auch die Staaten ein hohes Interesse —, muß man sehr viele, teilweise
höchst elaborierte Inhalte für wahr halten — oder darf sie doch wenigstens nicht
ablehnen, Inhalte, die zu nicht geringem Teil etwa aufgrund ihrer komplexen, weit
zurückreichenden Genese nur für den Experten verständlich sind. Zugleich aber ist
stets klar, daß das Bekenntnis zu diesen Lehren die - sehr einfache, schlichte - Sache
des ‘inneren Menschen’ ist, dem kraft seiner Gottesebenbildlichkeit eine spezifische
Souveränität zukommt. Diese Dualität begründet also zugleich die Zuspitzung des
Wahrheitsgedankens, der folglich stets auch die Kontrolle und Regulierung von
Gesinnungen einschließt, und die Forcierung der individuellen Entscheidungskom-
petenz bis hm zur Verlegung von Religion und Moral in einen seelischen Innen-
raum, der von Recht und Politik klar unterschieden wird und unbedingten Respekt
beansprucht.
Religion als „innere“ Angelegenheit des Menschen, die gänzlich von Politik
und Recht getrennt werden könnte, sowie als Problem vernünftiger Erkenntnis ist
dem (sunnitischen) Islam hingegen im Grundsatz fremd, ebenso aber auch
Ansprüche einer „geistlichen Gewalt“ auf politische Oberhoheit gegenüber dem
Staat. Das Verhältnis von Religion, Wissenschaft, Recht und Politik ist im Islam ein
grundsätzlich anderes als im Christentum. Deshalb sind die Bedingungen für eine
originäre Aufklärung unter islamischen Voraussetzungen nicht gegeben. Aufklärung
ist aus diesem Grund genuin europäisch, nicht eine global zu postulierende, not-
wendige Entwicklungsstufe jeder beliebigen Kultur und Religion, die am Ende ihrer
Entwicklung in die Sphäre des allgemein Menschlichen vorstoßen sollte.
Es muß folglich nicht verwundern, wenn es Stimmen unter den Muslimen vor
allem im Ausland gibt, die sich gegen die westliche Zumutung einer notwendigen