Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2018
DOI Kapitel:
I. Jahresfeier am 9.Juni 2018
DOI Artikel:
Grebel, Eva K.: Galaktische Archäologie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0030
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Jahresfeier am 9. Juni 2018

Wellenlänge messen - hat ein Stern eine Bewegungskomponente von uns weg,
führt das zu leicht rotverschobenen Linien, hat er eine Bewegungskomponente
auf uns zu, so sieht man blauverschobene Linien. Diese Linienverschiebung gibt
also Aufschluss über die Bewegung in radialer Richtung von uns aus und ist ein
Maß für die Radialgeschwindigkeit. (In diesem Fall ist allerdings der Doppleref-
fekt nicht für die in Kapitel 2 beschriebene Entfernungsmessung nutzbar, da die
Radialgeschwindigkeit durch lokale Effekte wie die Bahnbewegung des Sterns be-
stimmt wird.) Möchte man die dreidimensionale Bewegung eines Sterns herlei-
ten, braucht man außerdem seine Geschwindigkeit und seine Bewegungsrichtung
senkrecht zur Sichtlinie. Solche sogenannten Eigenbewegungen liefert derzeit in
großer Zahl die Gaia-Satellitenmission der Europäischen Raumfahrtagentur. Gaia
vermisst über eine Milliarde Sterne (etwa ein Hundertstel der Sterne der Milch-
straße) mit allergrößter Genauigkeit.
Auch bei der Nahfeldkosmologie gibt es Einschränkungen: Diese Analysen
sind nur in sehr nahen Galaxien möglich, was die Zahl der Zielobjekte und Gala-
xientypen einschränkt und das Risiko erhöht, Galaxien zu untersuchen, die mög-
licherweise nicht repräsentativ für typische Vertreter ihres Typs sind. Studien der
Entwicklungsgeschichte naher Galaxien anhand ihrer aufgelösten Sternpopulatio-
nen bezeichnet man auch als „Nahfeldkosmologie“ bzw. als „galaktische Archäolo-
gie“ im eigentlichen Sinne.
6. Einige Erkenntnisse der Fernfeldkosmologie
Betrachtet man leuchtkräftige, massereiche Galaxien im heutigen Universum, so
zeigt sich, dass die meisten entweder elliptisch oder aber scheibenförmig erschei-
nen. Die Scheibengalaxien zeigen meist Spiralarme, die vom Zentrum („norma-
le“ Spiralgalaxien) oder von einer balkenartigen, durch das Zentrum verlaufenden
elongierten Struktur ausgehen („Balkenspiralen“). Vor nunmehr fast 100Jahren
entwickelte der amerikanische Astronom Edwin Hubble ein Klassifikationssche-
ma, in dem die beiden Arten von Scheibengalaxien mit ihren verschiedenen Un-
tertypen entlang der zwei Arme eines an eine Stimmgabel erinnernden Diagramms
liegen, während die elliptischen Galaxien den Griff der Stimmgabel bilden. Wie
große Himmelsdurchmusterungen erwiesen haben, stellen die Scheibengalaxien
mit etwas über 70 Prozent den häufigsten Typ massereicher Galaxien dar. Ellip-
tische Galaxien und linsenförmige Galaxien machen weniger als 20 Prozent der
großen Galaxien aus, während amorph und gestört erscheinende Galaxien, soge-
nannte pekuliäre Galaxien, ungefähr 10 % beitragen.
Vor sechs Milliarden Jahren, als das Universum etwas weniger als halb so alt
war wie heute, bot sich ein ganz anderes Bild: Während sich der Anteil elliptischer
und linsenförmiger Galaxien kaum geändert hatte, trugen die Scheibengalaxien
nunmehr bloße 30 Prozent zu den massereichen Galaxien bei; etwas mehr als die

30
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften