Nietzsches Nachlass. Probleme und Perspektiven der Edition und Kommentierung
„Nietzsches Nachlass. Probleme und Perspektiven der Edition und
Kommentierung"
Internationale Konferenz der Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar" vom
8. bis 10. November 2018
Seit über 100 Jahren streiten Herausgeber, Philologen und Philosophen über den
richtigen Umgang mit Nietzsches Nachlass: Elisabeth Förster-Nietzsche und
Heinrich Köselitz behandelten ihn als Steinbruch, aus dem sie kurzerhand das
vermeintliche Hauptwerk Nietzsches, den Willen zur Macht, kompilierten. Mar-
tin Heidegger dekretierte, Nietzsches Philosophie sei nicht im Werk, sondern
im Nachlass zu finden, der allerdings keiner historisch-kritischen, sondern einer
,seinsgeschichtlichen‘ Edition bedürfe. Karl Jaspers hingegen sprach sich für eine
möglichst vollständige Ausgabe aller unveröffentlichten Aufzeichnungen Nietz-
sches aus.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand schließlich die erste abge-
schlossene kritische Nietzsche-Ausgabe durch Mazzino Montinari, nachdem ein
erster Versuch unter der Regie von Hans Joachim Mette zu Beginn der 1930er Jah-
re abgebrochen wurde und Karl Schlechta in den 1950er Jahren zwar den kompila-
torischen Charakter des Willens zur Macht medienwirksam aufdeckte, dabei jedoch
die restlichen Aufzeichnungen vernachlässigte. Allerdings entspricht Montinaris
Kritische Gesamtausgabe nicht mehr heutigen editionsphilologischen Standards, da
sie auf einer nicht immer gesicherten Chronologie der Aufzeichnungen basiert,
sogenannte Vorstufen und Gelegenheitsnotizen Nietzsches ausklammert und sti-
listische Glättungen vornimmt. Aus diesem Grund erarbeiten die Mitarbeiter der
Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar“ aktuell einen Projektantrag zur Neu-
edition und Kommentierung von Nietzsches Nachlass.
Die internationale Konferenz der Forschungsstelle, die vom 8. bis 10. Novem-
ber 2018 in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften stattfand und von Ka-
tharina Grätz, Sebastian Kaufmann und Andreas Urs Sommer organisiert wurde,
diente der Vorbereitung dieses geplanten Forschungsprojektes. In sechs Sektionen
präsentierten und diskutierten 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz grundsätzliche wie
auch konkrete Probleme und Perspektiven des Umgangs mit Nietzsches Nach-
lassaufzeichnungen aus der Zeit zwischen 1850 und 1889. Zur Sprache kam da-
bei nicht nur der besonders wirkmächtige Nachlass aus den späten 1880er Jahren;
vielmehr wurden nachgelassene Gedichte des Schülers ebenso thematisiert wie die
Mitschriften, die Studenten über die Vorlesungen Nietzsches als Basler Ordinarius
für Altphilologie erstellten, oder Exzerpte, die der umherreisende Nietzsche lau-
fend anfertigte und in sein Werk einfließen ließ.
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„Nietzsches Nachlass. Probleme und Perspektiven der Edition und
Kommentierung"
Internationale Konferenz der Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar" vom
8. bis 10. November 2018
Seit über 100 Jahren streiten Herausgeber, Philologen und Philosophen über den
richtigen Umgang mit Nietzsches Nachlass: Elisabeth Förster-Nietzsche und
Heinrich Köselitz behandelten ihn als Steinbruch, aus dem sie kurzerhand das
vermeintliche Hauptwerk Nietzsches, den Willen zur Macht, kompilierten. Mar-
tin Heidegger dekretierte, Nietzsches Philosophie sei nicht im Werk, sondern
im Nachlass zu finden, der allerdings keiner historisch-kritischen, sondern einer
,seinsgeschichtlichen‘ Edition bedürfe. Karl Jaspers hingegen sprach sich für eine
möglichst vollständige Ausgabe aller unveröffentlichten Aufzeichnungen Nietz-
sches aus.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand schließlich die erste abge-
schlossene kritische Nietzsche-Ausgabe durch Mazzino Montinari, nachdem ein
erster Versuch unter der Regie von Hans Joachim Mette zu Beginn der 1930er Jah-
re abgebrochen wurde und Karl Schlechta in den 1950er Jahren zwar den kompila-
torischen Charakter des Willens zur Macht medienwirksam aufdeckte, dabei jedoch
die restlichen Aufzeichnungen vernachlässigte. Allerdings entspricht Montinaris
Kritische Gesamtausgabe nicht mehr heutigen editionsphilologischen Standards, da
sie auf einer nicht immer gesicherten Chronologie der Aufzeichnungen basiert,
sogenannte Vorstufen und Gelegenheitsnotizen Nietzsches ausklammert und sti-
listische Glättungen vornimmt. Aus diesem Grund erarbeiten die Mitarbeiter der
Forschungsstelle „Nietzsche-Kommentar“ aktuell einen Projektantrag zur Neu-
edition und Kommentierung von Nietzsches Nachlass.
Die internationale Konferenz der Forschungsstelle, die vom 8. bis 10. Novem-
ber 2018 in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften stattfand und von Ka-
tharina Grätz, Sebastian Kaufmann und Andreas Urs Sommer organisiert wurde,
diente der Vorbereitung dieses geplanten Forschungsprojektes. In sechs Sektionen
präsentierten und diskutierten 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus
Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz grundsätzliche wie
auch konkrete Probleme und Perspektiven des Umgangs mit Nietzsches Nach-
lassaufzeichnungen aus der Zeit zwischen 1850 und 1889. Zur Sprache kam da-
bei nicht nur der besonders wirkmächtige Nachlass aus den späten 1880er Jahren;
vielmehr wurden nachgelassene Gedichte des Schülers ebenso thematisiert wie die
Mitschriften, die Studenten über die Vorlesungen Nietzsches als Basler Ordinarius
für Altphilologie erstellten, oder Exzerpte, die der umherreisende Nietzsche lau-
fend anfertigte und in sein Werk einfließen ließ.
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