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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2018
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Weigel, Detlef: Klima im Wandel – Pflanzen im Wandel: Anpassung in der Natur und in der Züchtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0042
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II. Wissenschaftliche Vorträge

ranz abschätzen konnten. Da uns das gesamte Erbgut der von uns untersuchten
Sorten bekannt war, konnten wir Gene und Genvarianten identifizieren, die mit
großer Wahrscheinlichkeit zur Dürretoleranz beitragen. Durch Integration der ge-
netischen Information mit historischen Klimadaten und Anwendung von Metho-
den aus der Künstlichen Intelligenz konnten wir in einem weiteren Schritt eine
Karte erstellen, die für jeden Punkt des Verbreitungsgebiets der Ackerschmalwand
angibt, wie viele Gene für die Dürretoleranz es dort gibt und wie dürretolerant
Sorten an Orten sind, die wir nicht direkt untersucht hatten. Die heutige Vertei-
lung glichen wir dann mit Vorhersagen für das lokale Klima in 50 bis 60 Jahren
ab, wobei sich überraschenderweise herausstellte, dass Sorten in Mitteleuropa am
stärksten vom Klimawandel bedroht sein werden, da sie bislang nur sehr begrenzte
Dürretoleranz haben.
Um diese Befunde auf eine breitere Basis zu stellen, haben wir in einem
größeren Experiment über 500 Sorten an zwei Standorten, nahe Madrid und Tü-
bingen, im Freiland wachsen lassen. Indem die Pflanzen durch Folientunnel vor
Niederschlag geschützt wurden, konnten wir außerdem gezielt die Wassermenge
kontrollieren, die die Pflanzen erhielten. Eine Kohorte wurde so gegossen, dass sie
die typischen Bedingungen um Tübingen erfuhr, während die andere Kohorte die
typischen Bedingungen um Madrid erfuhr. Am Ende des Experiments hatten wir
Daten von über 20.000 Töpfen gesammelt, einschließlich Überlebensrate bis zur
Fortpflanzung und Anzahl der Samen pro überlebende Pflanze sowie das Produkt
der beiden, welches ein Maß der Gesamtfitness darstellt. Es war nicht besonders
überraschend, dass Pflanzen, die in Madrid mit wenig Wasser angezogen wurden
und im selben Topf mit anderen Pflanzen konkurrieren mussten, die gerings-
ten Überlebenschancen hatten. Da wir das gesamte Erbgut aller Sorten kannten,
konnten wir dann für jede Variante im Erbgut berechnen, ob sie zum Überleben
beiträgt.
Wir verglichen dann die geographische Verbreitung jeder genetischen Varian-
te mit deren Effekten in Tübingen oder Madrid. Tatsächlich kommen Varianten,
die entweder in Madrid oder Tübingen vorteilhaft sind, gehäuft in Gebieten vor,
deren Klima dem von Madrid oder Tübingen ähnelt (Abb. 1), was unsere Vor-


Jährl. Niederschlag (mm)

Abb. 1: Zusammenhang des typischen Klimas am Herkunftsort ge-
netischer Varianten, durch die beiden Achsen gegeben, und Vorteilhaf-
tigkeit in Madrid; grün: positive Selektion in Madrid, rot: negative
Selektion in Madrid. Das Klima an unseren beiden experimentellen
Standorten ist durch schwarze Kreuze gekennzeich net.

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