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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

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A. Das akademische Jahr 2018
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III. Veranstaltungen
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Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie“
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Zotter, Astrid: Papier ist geduldig: historische Dokumente aus Nepal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0096
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III. Veranstaltungen

yan Shah (gekrönt 1743). Dieser vergrößerte sein kleines, etwa 50 km westlich von
Nepal liegendes Reich sukzessive, einerseits durch militärische Macht - unter ihm
entstand das erste stehende Heer in der Region - andererseits durch strategische
Allianzen. Eine weitere wichtige Eroberungsstrategie war die Vereinnahmung ter-
ritorialer Götter. So kennt bis heute jeder Nepali die Geschichte, wie der reiche
Stadtstaat Kathmandu eingenommen wurde, indem sich Prithvi Narayan 1768
anstelle des bis dahin herrschenden Malla-Königs von der Schutzgöttin Kumäri
segnen ließ. Der jährliche Segen dieser jungfräulichen Göttin, die sich in einem
Mädchen verkörpert, legitimiert den Herrscher.
Auch unter Prithvi Narayans Nachkommen dehnte sich das Gorkhali-Reich
weiter aus, bis es in Konflikt mit der Britischen Ostindien-Kompanie geriet. Der
dem Gurkha-Krieg (1814—1816) folgende Vertrag von Sagauli legte die südlichen
Staatsgrenzen fest. Die nächste wichtige Zäsur kam 1846, als die Regentin, Königin
Rajyalakshmi Devi, gemeinsam mit General Jang Balladur Kunwar und dessen
Brüdern in einem blutigen Staatsstreich fast die gesamte politische Elite auslösch-
te. Nach diesem sogenannten Kot-Massaker wurde zementiert, was längst Usus
war. Schon seit 1777 waren die Shah-Könige meist minderjährig gewesen. Regen-
ten und Minister herrschten an ihrer statt. Die Macht des Königs beschränkte sich
auf repräsentative Aufgaben, von der politischen Macht war er weitgehend ausge-
schlossen. Nun wurde der Premierminister zum mächtigsten Mann des Staates.
Sein Posten sowie die wichtigsten Ämter in Militär und Verwaltung wurden in
Jang Bahadurs Familie weitervererbt. Die Dynastie ging unter dem angenomme-
nen königlichen Namen Rana in die Geschichte ein. Das Vererbungsprinzip der
Ranas, die ein Seniorat pflegten, war dem der Primogenitur der Shahs überlegen.
Die Amtsfolge von Bruder zu Bruder garantierte, dass stets erwachsene Männer
an die Macht kamen. Es führte andererseits aber zu erbitterten Kämpfen zwischen
Brüdern und Cousins, die für sich und ihre Söhne möglichst aussichtsreiche Plät-
ze in der schriftlich fixierten Nachfolgeliste für die sechs wichtigsten Ämter an-
strebten. In einer Familie, deren Macht- und Wohlstandsentfaltung sich u.a. in
der Ehelichung möglichst vieler Frauen und der Zeugung entsprechend vieler
Nachkommen niederschlug, waren gewaltsame Korrekturen dieser Liste durch
Ausschaltung unliebsamer Konkurrenten an der Tagesordnung.
In der Rana-Zeit kam es, wie schon die Titulatur des ersten Ranas als „prähn
ministar end kamyändar-in-cTph“ illustriert, zu einer intensivierten Begegnung mit
und Adaption von europäischen Formen und Symbolen der Herrschaft. Jang Ba-
lladur reiste selbst nach Europa, wo man ihn frenetisch feierte. Die Ranas umgaben
sich mit europäischen Luxusgegenständen, errichteten neoklassizistische Paläste.
Sie hüteten den Zugang zu europäischen Gütern als ihr Herrschaftsprivileg und
schotteten das Land nach außen ab. Erst 1949 wurden die Ranas entmachtet. Un-
terstützt von der ersten Demokratiebewegung begann unter König Tribhuvan die
Phase der Restauration des Shah-Hauses.

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