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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Schleich, Wolfgang: Ina Rösing (4.2.1942−7.12.2018)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0213
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Nachruf auf Ina Rösing

sing-Schwidetzky, war eine habilitierte Dozentin am Anthropologischen Institut
der Universität Breslau. Nach der Flucht aus Breslau im Frühjahr 1945 ließ sich
die Familie in der Ortschaft Bodenheim im Landkreis Mainz-Bingen nieder. Ilse
Rösing-Schwidetzky wurde 1947 Extra-Ordinaria und 1961 Ordinaria und Direk-
torin des Instituts für Anthropologie an der Universität Mainz.
Schon als Gymnasiastin begleitete Ina Rösing ihre Mutter zu Forschungszwe-
cken auf die Kanarischen Inseln. Dort lernte sie Spanisch und untersuchte mithil-
fe von Blutgruppenbestimmungen die Herkunft der Guanchen, der kanarischen
Urbevölkerung. Bald interessierte sie sich auch generell für das Fach ihrer Mutter,
die Biologische Anthropologie. Diese Wissenschaft, die damals häufig an das Fach
Genetik angegliedert war, erlebte im Nachkriegs-Dcutschland einen spezifischen
Gegenwind, der von der Tatsache herrührte, dass viele Fachvertreter im Dritten
Reich mit den Machthabern zusammengearbeitet hatten. Ina Rösing interviewte
zu dieser Problematik eine Reihe von namhaften Professoren und legte die Er-
gebnisse in ihrer ersten Publikation Maus und Schlange nieder. In diesem Buch war
Ina Rösing Erstautorin und ihre Mutter Co-Autorin; diese Reihenfolge war ihr
wichtig.
Nach dem Abitur 1961 studierte Ina Rösing an der Freien Universität Berlin
Experimentalpsychologie und auch schon Anthropologie. Ihr Studium vertiefte sie
durch zwei Gastsemester an den amerikanischen Eliteuniversitäten Harvard/Mas-
sachusetts und Duke/North Carolina. Von ihrer Harvard-Zeit bei dem Psycholo-
gen Fred Skinner, dem Erfinder und bedeutendsten Vertreter des Behaviorismus,
sprach sie immer wieder gern und mit Stolz. Zurück in Deutschland suchte sie
sich ein Doktorthema mit sozialbiologischem Inhalt an der Universität Bochum
und promovierte dort schnell zum Dr. phil.
In diese Zeit fiel auch ihre enge Freundschaft mit Derek John de Solla Price,
einem Mitbegründer der Wissenschaftsforschung, englisch „Science of Science“.
Mit ihm organisierte Ina Rösing eine Reihe von Workshops und gab das Buch
Science, Technology and Society: A Cross-Disciplinary Perspective heraus.
Auch verschob sich der Interessensschwerpunkt von Ina Rösing von der Bio-
logischen Anthropologie zur Kulturanthropologie. Es zog sie nach Südamerika,
zu den Nachkommen der alten Inkas, und zwar zu einer ganz besonderen Volks-
gruppe, die in einem schwer zugänglichen Hochtal der bolivianischen Anden, der
Apolobamba-Cordillere, eine Art von eigener Kultur entwickelt hatte.
Ihr wichtigstes Forschungsziel war dabei die Erkundung der Arbeitsweise der
dort noch tätigen Medizinmänner und -Frauen, insbesondere deren Rituale und
die naheliegende Frage, wie die Urreligion der Indianer, eine Form von Animis-
mus, sich mit dem Christentum arrangiert hatte, mit dem spanische Jesuiten das
riesige Inka-Gebiet vor einem halben Jahrtausend missioniert hatten.
Zu diesem Zweck lebte Ina Rösing in der Apolobamba-Region bei wech-
selnden indianischen Bauernfamilien in deren Adobe-Hütten. Da sie den Vorsatz

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