C. Die Forschungsvorhaben
nen Sprache und Kommunikation (B III ao aa2) sowie der geschriebenen Sprache
(B III a bb) befasst, in DAG 21. Seine redaktionelle Ausarbeitung durch Nicoline
Winkler bildete die Arbeitsgrundlage für 2018. Das Faszikel liegt nach mehreren
Korrekturdurchgängen von Seiten der Redaktion und der Mitherausgeber jetzt zur
Druckaufbereitung vor.
Es ist davon auszugehen, dass im Mittelalter die orale Kommunikation vor-
herrschend war und auch Wissen in vielen Bereichen mündlich von einer Ge-
neration an die nächste weitergegeben wurde. Des Schreibens und Lesens waren
damals nur die Wenigen kundig, für die diese Fähigkeit erforderlich war. Verben
und verbale Wendungen wie cridar «annoncer, proclamer (qch) par le crieur public»
(ab 1278), far cridar am la trompas (1274),_far ucar (1203) «publier ä son de trompe»
(sub „annoncer publiquement, communiquer (qch) par le crieur public“ 2568)
attestieren diese von der Mündlichkeit beherrschte Kultur auch im öffentlichen
Kontext. Der Artikel «lire (un texte)» 2642 führt nur einen Fall von leger/legir in der
Bedeutung „lesen («prendre connaissance du contenu (d’un texte ecrit)»)“ (1268)
auf gegenüber 25 Belegen „vorlesen («lire ä haute voix le contenu (d’un texte ecrit),
porter un texte ä la connaissance d’une audience, du public»)“ (ca. 1190—1295).
Nachdem sich in der Gaskogne keine (fürstlichen, kirchlichen oder gegebenen-
falls städtischen) Zentren volkssprachlicher Dichtung und Wissenskultur entwickelt
haben, wurden hier nur Dinge mit institutioneller Relevanz wie Verträge, Gesetzes-
texte etc. schriftlich (und in der Volkssprache) konserviert. Sie wurden zur Sicherung
der Dauerhaftigkeit und Übertragbarkeit einer Aussage festgehalten oder dienten der
Legitimation von Herrschaft und Macht. Schriftlichkeit wurde notwendig in immer
größeren, komplexen sozialen Gebilden, insbesondere Städten, deren Organisation
des Zusammenlebens und Wirtschaftens nicht mehr ohne sie zu bewältigen war.
Der Übergang von der Mündlichkeit zur Verschriftlichung aktueller Informationen
war fließend, wobei seit dem 13. Jahrhundert das Orale an Boden verlor. Die Ar-
tikel „mise par ecrit“, „document ecrit“, „acte, document judiciaire“, „lettre, acte sous
forme de lettre“, „acte/document scelle“, „lettres patentes“, „cedule“, „contre-lettre“,
„abrege d’un acte de notaire“, „enregistrement, inscription“, „röle“, „registre (du no-
taire)“, „registre, papier volant (de la cour de justice)“ und „protocole“ zeugen vom
Anwachsen juristischer und administrativer Dokumente. In dem darin zusammen-
gestellten Wortschatz finden sich nicht nur gaskognische Neubelege, sondern auch
Neubelege oder Vordatierungen für den benachbarten und sprachlich nahestehen-
den okzitanischen Raum: letra in der Bedeutung «contrat ecrit (testament, donation,
reconnaissance de dettes, etc.)» (ab ca. 1221) sowie letra «document ä caractere prive
mais ä valeur juridique» (ab 1248), letraspatentas pl. «lettres scellees du grand sceau de
la chancellerie royale, lettres patentes» (ab 1236), cartapendent «charte scellee» (1250),
contra carta «titre/charte contraire, contre-lettre» (ab 1257).
Mit dem Anstieg des Grads an Schriftlichkeit wurden escrivans, escribaas
„Schreiber, Kopisten“, die sich mit dem technischen Aspekt der Niederschrift be-
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nen Sprache und Kommunikation (B III ao aa2) sowie der geschriebenen Sprache
(B III a bb) befasst, in DAG 21. Seine redaktionelle Ausarbeitung durch Nicoline
Winkler bildete die Arbeitsgrundlage für 2018. Das Faszikel liegt nach mehreren
Korrekturdurchgängen von Seiten der Redaktion und der Mitherausgeber jetzt zur
Druckaufbereitung vor.
Es ist davon auszugehen, dass im Mittelalter die orale Kommunikation vor-
herrschend war und auch Wissen in vielen Bereichen mündlich von einer Ge-
neration an die nächste weitergegeben wurde. Des Schreibens und Lesens waren
damals nur die Wenigen kundig, für die diese Fähigkeit erforderlich war. Verben
und verbale Wendungen wie cridar «annoncer, proclamer (qch) par le crieur public»
(ab 1278), far cridar am la trompas (1274),_far ucar (1203) «publier ä son de trompe»
(sub „annoncer publiquement, communiquer (qch) par le crieur public“ 2568)
attestieren diese von der Mündlichkeit beherrschte Kultur auch im öffentlichen
Kontext. Der Artikel «lire (un texte)» 2642 führt nur einen Fall von leger/legir in der
Bedeutung „lesen («prendre connaissance du contenu (d’un texte ecrit)»)“ (1268)
auf gegenüber 25 Belegen „vorlesen («lire ä haute voix le contenu (d’un texte ecrit),
porter un texte ä la connaissance d’une audience, du public»)“ (ca. 1190—1295).
Nachdem sich in der Gaskogne keine (fürstlichen, kirchlichen oder gegebenen-
falls städtischen) Zentren volkssprachlicher Dichtung und Wissenskultur entwickelt
haben, wurden hier nur Dinge mit institutioneller Relevanz wie Verträge, Gesetzes-
texte etc. schriftlich (und in der Volkssprache) konserviert. Sie wurden zur Sicherung
der Dauerhaftigkeit und Übertragbarkeit einer Aussage festgehalten oder dienten der
Legitimation von Herrschaft und Macht. Schriftlichkeit wurde notwendig in immer
größeren, komplexen sozialen Gebilden, insbesondere Städten, deren Organisation
des Zusammenlebens und Wirtschaftens nicht mehr ohne sie zu bewältigen war.
Der Übergang von der Mündlichkeit zur Verschriftlichung aktueller Informationen
war fließend, wobei seit dem 13. Jahrhundert das Orale an Boden verlor. Die Ar-
tikel „mise par ecrit“, „document ecrit“, „acte, document judiciaire“, „lettre, acte sous
forme de lettre“, „acte/document scelle“, „lettres patentes“, „cedule“, „contre-lettre“,
„abrege d’un acte de notaire“, „enregistrement, inscription“, „röle“, „registre (du no-
taire)“, „registre, papier volant (de la cour de justice)“ und „protocole“ zeugen vom
Anwachsen juristischer und administrativer Dokumente. In dem darin zusammen-
gestellten Wortschatz finden sich nicht nur gaskognische Neubelege, sondern auch
Neubelege oder Vordatierungen für den benachbarten und sprachlich nahestehen-
den okzitanischen Raum: letra in der Bedeutung «contrat ecrit (testament, donation,
reconnaissance de dettes, etc.)» (ab ca. 1221) sowie letra «document ä caractere prive
mais ä valeur juridique» (ab 1248), letraspatentas pl. «lettres scellees du grand sceau de
la chancellerie royale, lettres patentes» (ab 1236), cartapendent «charte scellee» (1250),
contra carta «titre/charte contraire, contre-lettre» (ab 1257).
Mit dem Anstieg des Grads an Schriftlichkeit wurden escrivans, escribaas
„Schreiber, Kopisten“, die sich mit dem technischen Aspekt der Niederschrift be-
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