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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Jahresfeier am 9. Juni 2007
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Wolgast, Eike: Pax optima rerum: Theorie und Praxis des Friedensschlusses in der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0046
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9. Juni 2007 | 59

6. Fazit
Die Kriege der Neuzeit waren — jedenfalls bis zum Ersten Weltkrieg — keine
Exstinktionskriege, an deren Ende der Kriegsgegner als Staat nicht mehr bestand.
Sie bedurften daher zu ihrer Beendigung des Friedensvertrags. Innerhalb des christ-
lich-abendländischen Kulturkreises gab es lange Zeit eine gemeinsame Normen-
grundlage, die letztlich auch auf Partner anderer Kulturkreise, wie das Osmanische
Reich oder Japan, übertragen wurde. Der Frieden wurde über Jahrhunderte hm
definiert als pax Christiana bzw. pax universalis ac perpetua und war mit amicitia
sincera et vera verbunden. Im 19. Jahrhundert vereinzelt, im 20. Jahrhundert generell
wurde auf diese Formel verzichtet zugunsten der bloßen Feststellung, daß der
Kriegszustand beendet sei. Die progredierende Entfernung von den Wesenselemen-
ten früherer Friedensverträge begann mit der Ausschaltung der Vergessensformel und
mit der bloßen Gewährung von Straffreiheit, die dann im 20. Jahrhundert verein-
seitigt nur noch dem Sieger zugute kam. Klammerten die Verträge bis ins 19. Jahr-
hundert grundsätzlich die Kriegsschuldfrage aus, um einen unbelasteten Neuanfang
der Beziehungen zu ermöglichen, legten die Verträge des 20. Jahrhunderts — mit dem
Vorläufer von 1815 - gerade die Kriegsverantwortung und die Zurechenbarkeit des
Kriegselends fest, um den militärisch unterlegenen Vertragspartner als prinzipiell
ungleichwertig und rechtsungleich behandeln zu können und ihm die Kriegskosten
aufzuerlegen. An die Stelle des die Zukunft berücksichtigenden Ausgleichsgedankens
trat die Gerechtigkeit, so daß sich zugespitzt formulieren ließe: Der Weg vom
16. zum 20. Jahrhundert führt von der Anrufung des Numinosen und der pax Chri-
stiana bzw. pax et amicitia zur paix juste, wobei die Norm der Gerechtigkeit vom
Sieger bestimmt wurde. Grillparzers bekannter Dreischritt könnte abgewandelt auch
auf die Entwicklung des Friedensvertrags angewendet werden: Von der Humanität
über die Nationalität zur Bestialität in der Kriegführung und zur durchgängigen
Ideologisierung und Morahsierung in der Gestaltung des Friedensvertrags.
 
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