21. Juli 2007 | 87
Bewertung innerhalb der wissenschaftlichen community unerheblich. Die Folge ist,
dass auch herausragende Forscher oft sehr stark spezialisiert sind und außerhalb ihres
engen Fachgebiets nur über das allernötigste Grundwissen verfugen.
Grundlage der physikalischen Arbeit ist das Experiment. Es lässt sich im Prin-
zip an jedem beliebigen Ort der Erde wiederholen. Natürlich gilt das für viele der
sehr teuren modernen Experimente nur in höchst eingeschränkter Weise. Die For-
derung nach Wiederholbarkeit ist der Grund, weshalb einmalige, nicht reproduzier-
bare Abläufe in der Zeit (wie sie etwa für historische Prozesse typisch sind) nicht
Thema der Naturwissenschaften sind. Zu dieser Feststellung gibt es zwei bemer-
kenswerte Ausnahmen. Die beiden großen Erzählungen der Naturwissenschaften,
die Kosmologie und die Evolutionsbiologie, haben nicht reproduzierbare, einmalige
Abläufe in der Zeit zum Gegenstand.
Zusammenfassend halte ich fest: Die moderne Naturwissenschaft ist sehr stark
methodisch geprägt, daher weitgehend erlernbar und also exportfähig. Sie ist hoch-
gradig spezialisiert. Ihr Erkenntnisfortschritt ist immanent definiert, will sagen: Für
den Fortschritt der Forschung sind Kontakte mit Naturwissenschaftlern, die in ande-
ren Teilgebieten arbeiten, oder gar mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern in der
Regel nicht nötig. Naturwissenschaftler haben nur selten eine forschungsimmanen-
te Veranlassung, sich für die historische Entwicklung ihres eigenen Fachgebietes zu
interessieren. Naturwissenschaftliche Forschung beruht auf reproduzierbaren Expe-
rimenten und ist insofern ahistorisch. Kosmologie und Evolutionsbiologie bilden die
Ausnahme zu dieser Regel.
Nicht immer war die Forschung so stark spezialisiert wie heute. Es gab Zeiten,
in denen die innere Entwicklung der Physik die führenden Physiker dazu zwang, zu
philosophischen, insbesondere erkenntnistheoretischen Fragen Stellung zu beziehen,
die mit der Entwicklung der Physik in unmittelbarem Zusammenhang standen. Das
gilt zum Beispiel für die Zeit zwischen 1900 und 1950, also vom Beginn der Quan-
tentheorie bis zur Entwicklung der Quantenfeldtheorie. Dazu wäre den Physikern
Hilfe seitens der Philosophen sicher willkommen gewesen. Aber das Hauptinteresse
der Philosophen in jener Zeit galt anderen als erkenntnistheoretischen Problemen.
Und für ein fruchtbares Gespräch mit den Physikern ist die Kenntnis der Sprache
der Physik, soll heißen der Mathematik, unabdingbar. Die aber steht der überwie-
genden Mehrzahl der Philosophen nicht zu Gebote. So kam es, dass mit wenigen
Ausnahmen die Physiker auf sich selbst verwiesen waren und sich ihre eigene Phi-
losophie zurechtbasteln mussten, wie das der Titel „Die Philosophie der Physiker“
eines im letzten Jahr erschienenen Buches des Wissenschaftsphilosophen Erhard
Scheibe bezeugt (C.H. Beck Verlag München 2006).
Es ist hier nicht möglich, mehr als die wesentlichen Themen jener physika-
lisch-philosophischen Debatten zu nennen. Die Diskussion begann etwa 1900 mit
dem Positivismusstreit. Der Positivismus von Ernst Mach wurde insbesondere von
Max Planck angegriffen, welcher eine realistische Weitsicht vertrat. Plancks physika-
lischer Realismus hat sich seither unter Physikern wohl weitgehend durchgesetzt.
Die Relativitätstheorie Einsteins zwang die Physiker, neu über die Begriffe von
Raum und Zeit nachzudenken. Dabei mussten sie feststellen, dass die Newtonschen
Bewertung innerhalb der wissenschaftlichen community unerheblich. Die Folge ist,
dass auch herausragende Forscher oft sehr stark spezialisiert sind und außerhalb ihres
engen Fachgebiets nur über das allernötigste Grundwissen verfugen.
Grundlage der physikalischen Arbeit ist das Experiment. Es lässt sich im Prin-
zip an jedem beliebigen Ort der Erde wiederholen. Natürlich gilt das für viele der
sehr teuren modernen Experimente nur in höchst eingeschränkter Weise. Die For-
derung nach Wiederholbarkeit ist der Grund, weshalb einmalige, nicht reproduzier-
bare Abläufe in der Zeit (wie sie etwa für historische Prozesse typisch sind) nicht
Thema der Naturwissenschaften sind. Zu dieser Feststellung gibt es zwei bemer-
kenswerte Ausnahmen. Die beiden großen Erzählungen der Naturwissenschaften,
die Kosmologie und die Evolutionsbiologie, haben nicht reproduzierbare, einmalige
Abläufe in der Zeit zum Gegenstand.
Zusammenfassend halte ich fest: Die moderne Naturwissenschaft ist sehr stark
methodisch geprägt, daher weitgehend erlernbar und also exportfähig. Sie ist hoch-
gradig spezialisiert. Ihr Erkenntnisfortschritt ist immanent definiert, will sagen: Für
den Fortschritt der Forschung sind Kontakte mit Naturwissenschaftlern, die in ande-
ren Teilgebieten arbeiten, oder gar mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern in der
Regel nicht nötig. Naturwissenschaftler haben nur selten eine forschungsimmanen-
te Veranlassung, sich für die historische Entwicklung ihres eigenen Fachgebietes zu
interessieren. Naturwissenschaftliche Forschung beruht auf reproduzierbaren Expe-
rimenten und ist insofern ahistorisch. Kosmologie und Evolutionsbiologie bilden die
Ausnahme zu dieser Regel.
Nicht immer war die Forschung so stark spezialisiert wie heute. Es gab Zeiten,
in denen die innere Entwicklung der Physik die führenden Physiker dazu zwang, zu
philosophischen, insbesondere erkenntnistheoretischen Fragen Stellung zu beziehen,
die mit der Entwicklung der Physik in unmittelbarem Zusammenhang standen. Das
gilt zum Beispiel für die Zeit zwischen 1900 und 1950, also vom Beginn der Quan-
tentheorie bis zur Entwicklung der Quantenfeldtheorie. Dazu wäre den Physikern
Hilfe seitens der Philosophen sicher willkommen gewesen. Aber das Hauptinteresse
der Philosophen in jener Zeit galt anderen als erkenntnistheoretischen Problemen.
Und für ein fruchtbares Gespräch mit den Physikern ist die Kenntnis der Sprache
der Physik, soll heißen der Mathematik, unabdingbar. Die aber steht der überwie-
genden Mehrzahl der Philosophen nicht zu Gebote. So kam es, dass mit wenigen
Ausnahmen die Physiker auf sich selbst verwiesen waren und sich ihre eigene Phi-
losophie zurechtbasteln mussten, wie das der Titel „Die Philosophie der Physiker“
eines im letzten Jahr erschienenen Buches des Wissenschaftsphilosophen Erhard
Scheibe bezeugt (C.H. Beck Verlag München 2006).
Es ist hier nicht möglich, mehr als die wesentlichen Themen jener physika-
lisch-philosophischen Debatten zu nennen. Die Diskussion begann etwa 1900 mit
dem Positivismusstreit. Der Positivismus von Ernst Mach wurde insbesondere von
Max Planck angegriffen, welcher eine realistische Weitsicht vertrat. Plancks physika-
lischer Realismus hat sich seither unter Physikern wohl weitgehend durchgesetzt.
Die Relativitätstheorie Einsteins zwang die Physiker, neu über die Begriffe von
Raum und Zeit nachzudenken. Dabei mussten sie feststellen, dass die Newtonschen