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ANTRITTSREDEN
So entschied ich mich an die University of California Los Angeles zu Eddy De
Robertis zu gehen, der durch die Entdeckung der Homeoboxgene bei Wirbeltieren
berühmt war. Hier lernte ich die großen Fragen der Entwicklungsbiologie kennen
und wurde mit den 70 Jahre alten Arbeiten des Nobelpreisträgers Hans Spemann
vertraut.
In einer systematischen Analyse untersuchten Spemann und Kollegen nach
dem 1. Weltkrieg in Freiburg, inwieweit verschiedene Bezirke der frühen Amphi-
biengastrula bereits determiniert sind, sich in die ihnen gemäßen Gewebe zu diffe-
renzieren. Hierzu führten sie eine Serie von Transplantationen durch und prüften,
ob sich das transplantierte Stück herkunftsgemäß oder ortsgemäß entwickelt. Eine
dieser Transplantationen mit der so genannten dorsalen Urmundlippe als Spender-
gewebe erlangte besondere Berühmtheit. In dem klassischen Experiment zeigten
Spemann und Mangold, dass die Transplantation der dorsalen Urmundlippe eines
Spendermolchs auf einen Wirtskeim zur Induktion eines siamesischen Zwillings
führt. Dieses Experiment gehört zu den bekanntesten in der ganzen Biologie und
gilt als spektakulärstes Beispiel eines Induktionsvorgangs. Der Spemann Organisator
wurde zum heiligen Gral der Wirbeltierentwicklungsbiologie und jahrzehntelang
haben Entwicklungsbiologen vergeblich versucht, die diffusiblen Induktoren zu
identifizieren.
Während meiner Postdoczeit gelang meinem Kollegen Ken Cho im De
Robertis Labor bei der Frage nach den molekularen Prinzipien der Durchbruch, als
er mit goosecoid (gsc) das erste spezifisch im Spemann’schen Organisator wirksame
Gen identifizierte. Bis dahin konnte der Organisator nur mittels Transplantations-
experimente nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte mit gsc auch in anderen
Wirbeltieren, z.B. der Maus, wo solche Transplantationen nicht möglich sind, der
Organisator angefärbt und nachgewiesen werden. Diese und daraus folgende Ent-
deckungen waren der größte Fortschritt auf dem Gebiet seit Spemann und haben
das Verständnis der molekularen Vorgänge im Organisator revolutioniert. Jene Mona-
te im De Robertis Labor waren spannend wie ein Krimi und uns war allen klar, dass
wir hier Zeugen wurden, wie Wissenschaftsgeschichte geschrieben wurde. Ich selbst
hatte das Glück die funktionellen Eigenschaften des gsc Gens im Frosch untersuchen
zu können.
Nachwuchsgruppe und Professur am DKFZ Heidelberg
Zurück aus den USA baute ich ab 1994 am DKFZ eine Arbeitsgruppe auf, zunächst
als Nachwuchsgruppenleiter und seit 2000 als Abteilungsleiter und Professor an der
Universität Heidelberg.
Während ich bei Wieland Hüttner gelernt hatte, auf jedes kleine Detail zu ach-
ten, war das Motto von De Robertis „to look at the big picture“. De Robertis gab
mir auch auf den Weg „The secret of a successful laboratory are the postdocs“
während mir Ingrid Grummt am DKFZ bei meiner Ankunft versicherte, „Das
Geheimnis eines erfolgreichen Labors sind die Doktoranden“. Alle Drei hatten
natürlich Recht.
ANTRITTSREDEN
So entschied ich mich an die University of California Los Angeles zu Eddy De
Robertis zu gehen, der durch die Entdeckung der Homeoboxgene bei Wirbeltieren
berühmt war. Hier lernte ich die großen Fragen der Entwicklungsbiologie kennen
und wurde mit den 70 Jahre alten Arbeiten des Nobelpreisträgers Hans Spemann
vertraut.
In einer systematischen Analyse untersuchten Spemann und Kollegen nach
dem 1. Weltkrieg in Freiburg, inwieweit verschiedene Bezirke der frühen Amphi-
biengastrula bereits determiniert sind, sich in die ihnen gemäßen Gewebe zu diffe-
renzieren. Hierzu führten sie eine Serie von Transplantationen durch und prüften,
ob sich das transplantierte Stück herkunftsgemäß oder ortsgemäß entwickelt. Eine
dieser Transplantationen mit der so genannten dorsalen Urmundlippe als Spender-
gewebe erlangte besondere Berühmtheit. In dem klassischen Experiment zeigten
Spemann und Mangold, dass die Transplantation der dorsalen Urmundlippe eines
Spendermolchs auf einen Wirtskeim zur Induktion eines siamesischen Zwillings
führt. Dieses Experiment gehört zu den bekanntesten in der ganzen Biologie und
gilt als spektakulärstes Beispiel eines Induktionsvorgangs. Der Spemann Organisator
wurde zum heiligen Gral der Wirbeltierentwicklungsbiologie und jahrzehntelang
haben Entwicklungsbiologen vergeblich versucht, die diffusiblen Induktoren zu
identifizieren.
Während meiner Postdoczeit gelang meinem Kollegen Ken Cho im De
Robertis Labor bei der Frage nach den molekularen Prinzipien der Durchbruch, als
er mit goosecoid (gsc) das erste spezifisch im Spemann’schen Organisator wirksame
Gen identifizierte. Bis dahin konnte der Organisator nur mittels Transplantations-
experimente nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte mit gsc auch in anderen
Wirbeltieren, z.B. der Maus, wo solche Transplantationen nicht möglich sind, der
Organisator angefärbt und nachgewiesen werden. Diese und daraus folgende Ent-
deckungen waren der größte Fortschritt auf dem Gebiet seit Spemann und haben
das Verständnis der molekularen Vorgänge im Organisator revolutioniert. Jene Mona-
te im De Robertis Labor waren spannend wie ein Krimi und uns war allen klar, dass
wir hier Zeugen wurden, wie Wissenschaftsgeschichte geschrieben wurde. Ich selbst
hatte das Glück die funktionellen Eigenschaften des gsc Gens im Frosch untersuchen
zu können.
Nachwuchsgruppe und Professur am DKFZ Heidelberg
Zurück aus den USA baute ich ab 1994 am DKFZ eine Arbeitsgruppe auf, zunächst
als Nachwuchsgruppenleiter und seit 2000 als Abteilungsleiter und Professor an der
Universität Heidelberg.
Während ich bei Wieland Hüttner gelernt hatte, auf jedes kleine Detail zu ach-
ten, war das Motto von De Robertis „to look at the big picture“. De Robertis gab
mir auch auf den Weg „The secret of a successful laboratory are the postdocs“
während mir Ingrid Grummt am DKFZ bei meiner Ankunft versicherte, „Das
Geheimnis eines erfolgreichen Labors sind die Doktoranden“. Alle Drei hatten
natürlich Recht.