Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

DOI Kapitel:
III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI Kapitel:
B. Das WIN-Kolleg
DOI Kapitel:
2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0276
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das WIN-Kolleg

289

— Im Zuge der massiven Erweiterung der EU haben die wirtschaftlichen Diver-
genzen innerhalb der Union deutlich zugenommen. Es fehlt die ökonomische
Basis für EU-weit einheitliche sozialpolitische Regelungen. Schon aus diesem
Grund ist eine Differenzierung der Sozial- und Solidaritätssysteme, ferner des
Umfanges des Sozialschutzes nötig.
— Die Makropolitik souveräner Staaten kann zu (negativen) Folgen („spillovers“)
bei anderen Staaten fuhren, für die letztere nicht kompensiert werden. Würden
die jeweiligen Nationalstaaten die negativen Folgen ihrer Politik bei anderen
Staaten berücksichtigen, stellte sich die Gesamtheit der Länder besser. Die
Lösung des Problems kann darin liegen, dass die Staaten sich miteinander abstim-
men, ihre Politik also koordinieren.
— Weniger offensichtlich ist, wann die Vorteile solcher Koordinierung die Vorteile
des Wettbewerbs übersteigen. Weder gibt es hier einen Leitfaden, nach dem wirt-
schaftstheoretisch abgeleitete Erkenntnisse politisch-praktisch umgesetzt werden
können. Noch ist damit zu rechnen, dass sich nationale und supranationale Euro-
papolitiker allem von Sachargumenten leiten lassen. Vielmehr unterliegen diese
der permanenten Versuchung, ihren Einfluss zu maximieren und politischen
Wettbewerb auszuschalten, so dass es eine systemimmanente Tendenz gibt, die
wirtschaftspolitische Koordinierung für das je eigene Zielsystem einzusetzen.
— Angesichts dessen erscheint es unzureichend, nur prima-facie-Gründe aufzu-
suchen, die eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik plausibel machen. Nötig ist
vielmehr die Erörterung jener wirtschaftstheoretischen Gesetzmäßigkeiten sowie
sozial- und staatsethischen Normen, die grundsätzlich für eine solche Koordi-
nierung sprechen.
— Zudem bietet die innereuropäische parallele Existenz unterschiedlicher Systeme
und unterschiedlicher Lösungsansätze für die europäische Sozialpolitik eine
große Chance: Sie ermöglicht einen institutionellen Wettbewerb zwischen den
Sozialsystemen. Eine Harmonisierung von oben, durch eine zentralistische Poli-
tik der Europäischen Gemeinschaft, würde diese Quelle für die Innovation der
sozialen Dienste verschütten.
— Daher liegt nahe, dass die EU-Mitgliedstaaten unter Achtung des Solidaritäts-
und Subsidiaritätsprinzips alternative Möglichkeiten zur Finanzierung solcher
Systeme, die dynamische und lohnneutrale Reformen fördern würden,
erschließen, z.B. durch Nutzung des von den Unternehmen erzeugten Mehr-
werts, indem sie das vertikale und horizontale Subsidiaritätsprinzip zwischen den
Institutionen und der Bevölkerung fördern.
— Nötig sind transparente und legitimitätstheoretisch stringente Regeln zur Nut-
zung des Europäischen Sozialfonds sowie des komplementären Fonds für die
Anpassung der EU-Mitgliedstaaten an die Globalisierung.
Im Blick hierauf wird ein politisch-philosophisches Konzept „europäischer
Völkersolidarität“ entworfen, das das europapolitische Austarieren von Wettbewerbs-
und Koordinationsmomenten als Variante einer klassischen praktisch-philosophi-
schen Problematik begreift: als Konkretionsfall der Frage nach rational zustimm-
baren Bedingungen legitimer Einschränkbarkeit ursprünglich gegebener Freiheits-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften