Axel Michaels
ge fernblieben. Diener hatten es etwas besser, aber die Grenzen zwischen diesen
Kategorien verwischten in der Alltagspraxis.
In jedem Fall bedeutete Versklavung den sozialen Tod. Die Sklaven verloren
ihren Kastennamen, sie wurden ihrer Familie und ihrem Heimatort entfremdet,
sie büßten ihren rituellen Status ein und wurden zu unmündigen „Kindern”
ihres Herrn. Dabei war nicht so sehr der Verlust von Freiheit der dramatische
Aspekt, sondern der Verlust von Verwandtschaft. Zwar konnten Sklaven vererbt
werden und damit Teil eines Familienverbundes werden, besonders dann, wenn
sie mit einer Sklavin verheiratet wurden und Kinder bekamen, aber das war kein
Ersatz für den Verlust ihrer Herkunftsfamilien. Und doch war der Status eines
in die Familien eingebundenen Sklaven „besser“ als etwa der Status eines reinen
Arbeitssklaven, der mehr oder weniger nur als Ware gehandelt und behandelt
wurde.
Die Gründe für eine Versklavung im weiteren Sinne sind vielfältig. Einer der
häufigsten Fälle war die ausbleibende Zurückzahlung von Schulden, aber auch
Verpfändungen, die zu Schuldknechtschaften und Leibeigenschaften führten.
Dabei wurde nach dem (Mulukt) Ain, einem Rechtstext aus dem Jahr 1854, für
das menschliche Pfand, also den Sklaven, oft das Wort „Körper“ (Jyü,jlü) benutzt.
Hinzu kamen Vergehen gegen die Sittlichkeit, insbesondere Sexualvergehen, zum
Beispiel Inzest. In Einzelfällen sind Menschen durch Zwang oder Tricks in die
Sklaverei genommen worden, etwa als Kriegsgefangene oder Rebellen, aber auch
unter Ausnutzung von üblen Machenschaften.
Der Ain von 1854 war ein Versuch, die verschiedenen Regelungen zu verein-
heitlichen. So wird darin behandelt, wie man mit kranken und arbeitsunfähigen
Sklaven umzugehen hat, oder mit solchen, die weggelaufen sind und zurückge-
bracht werden (fünf Rupien Finderlohn fielen dann an), oder denjenigen, die
ihnen bei der Flucht Beihilfe leisten. Rannte ein Sklave weg und verdingte sich
andernorts, ohne dass der neue Herr seine Vorgeschichte kannte, musste keine
Entschädigung für den Vorbesitzer gezahlt werden. Wurde aber ein Sklave ver-
kauft, obwohl er dem Verkäufer gar nicht gehörte, musste dieser Entschädigungen
und Strafen entrichten.
Der Verkauf von Sklaven und die Zahlungsmodalitäten bei Leibeigenschaft
werden im Ain von 1854 ebenfalls präzise aufgeschlüsselt. So wurde festgelegt,
dass der Preis für einen männlichen Sklaven zwischen zwölf und vierzig Jahren
100 und für eine Sklavin 120 Rupien betrug. Die Arbeitsleistung wurde pro Tag
mit 1 änä (1/16 Rupie) sowie zusätzlich 1 änä für das Essen des Sklaven berech-
net. Das ergab rund 2 Rupien Monats- und 24 Rupien Jahresverdienst. Allerdings
schwankten die Preise je nach Alter, Region und Geschlecht, wobei gebärfähige
Frauen einen höheren Preis erzielten als Männer.
Der Staat garantierte mit solchen Vorschriften eine Rechtssicherheit des Skla-
venhalters und des Sklaven. Er schrieb Strafen für die die Beamten der verschie-
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ge fernblieben. Diener hatten es etwas besser, aber die Grenzen zwischen diesen
Kategorien verwischten in der Alltagspraxis.
In jedem Fall bedeutete Versklavung den sozialen Tod. Die Sklaven verloren
ihren Kastennamen, sie wurden ihrer Familie und ihrem Heimatort entfremdet,
sie büßten ihren rituellen Status ein und wurden zu unmündigen „Kindern”
ihres Herrn. Dabei war nicht so sehr der Verlust von Freiheit der dramatische
Aspekt, sondern der Verlust von Verwandtschaft. Zwar konnten Sklaven vererbt
werden und damit Teil eines Familienverbundes werden, besonders dann, wenn
sie mit einer Sklavin verheiratet wurden und Kinder bekamen, aber das war kein
Ersatz für den Verlust ihrer Herkunftsfamilien. Und doch war der Status eines
in die Familien eingebundenen Sklaven „besser“ als etwa der Status eines reinen
Arbeitssklaven, der mehr oder weniger nur als Ware gehandelt und behandelt
wurde.
Die Gründe für eine Versklavung im weiteren Sinne sind vielfältig. Einer der
häufigsten Fälle war die ausbleibende Zurückzahlung von Schulden, aber auch
Verpfändungen, die zu Schuldknechtschaften und Leibeigenschaften führten.
Dabei wurde nach dem (Mulukt) Ain, einem Rechtstext aus dem Jahr 1854, für
das menschliche Pfand, also den Sklaven, oft das Wort „Körper“ (Jyü,jlü) benutzt.
Hinzu kamen Vergehen gegen die Sittlichkeit, insbesondere Sexualvergehen, zum
Beispiel Inzest. In Einzelfällen sind Menschen durch Zwang oder Tricks in die
Sklaverei genommen worden, etwa als Kriegsgefangene oder Rebellen, aber auch
unter Ausnutzung von üblen Machenschaften.
Der Ain von 1854 war ein Versuch, die verschiedenen Regelungen zu verein-
heitlichen. So wird darin behandelt, wie man mit kranken und arbeitsunfähigen
Sklaven umzugehen hat, oder mit solchen, die weggelaufen sind und zurückge-
bracht werden (fünf Rupien Finderlohn fielen dann an), oder denjenigen, die
ihnen bei der Flucht Beihilfe leisten. Rannte ein Sklave weg und verdingte sich
andernorts, ohne dass der neue Herr seine Vorgeschichte kannte, musste keine
Entschädigung für den Vorbesitzer gezahlt werden. Wurde aber ein Sklave ver-
kauft, obwohl er dem Verkäufer gar nicht gehörte, musste dieser Entschädigungen
und Strafen entrichten.
Der Verkauf von Sklaven und die Zahlungsmodalitäten bei Leibeigenschaft
werden im Ain von 1854 ebenfalls präzise aufgeschlüsselt. So wurde festgelegt,
dass der Preis für einen männlichen Sklaven zwischen zwölf und vierzig Jahren
100 und für eine Sklavin 120 Rupien betrug. Die Arbeitsleistung wurde pro Tag
mit 1 änä (1/16 Rupie) sowie zusätzlich 1 änä für das Essen des Sklaven berech-
net. Das ergab rund 2 Rupien Monats- und 24 Rupien Jahresverdienst. Allerdings
schwankten die Preise je nach Alter, Region und Geschlecht, wobei gebärfähige
Frauen einen höheren Preis erzielten als Männer.
Der Staat garantierte mit solchen Vorschriften eine Rechtssicherheit des Skla-
venhalters und des Sklaven. Er schrieb Strafen für die die Beamten der verschie-
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