II. Wissenschaftliche Vorträge
denen Magistrate und Distriktbüros vor, wenn sie widerrechtlich eine Versklavung
duldeten oder sogar betrieben. Auch war es jedem verboten, den Kastenstatus zu
manipulieren, um eine Versklavung zu ermöglichen. Schon die Unterscheidung in
versklavbare und nicht-versklavbare Kasten in der Kastenhierarchie des Ains von
1854 war ein Instrument der Unterdrückung und Ausbeutung hauptsächlich der
Bauernschaft und der unreinen Kasten oder Kastenlosen.
Der Hauptgrund für die Versklavung war die billige Arbeitskraft. Diese ging
einher mit einem ausgeklügelten System der Verarmung und Verschuldung der
Bauernschaft. Aus wirtschaftlicher Sicht war der Nutzen der Sklaverei aber zwei-
felhaft, denn der Staat konnte durch ein Zwangsarbeit-System ohnehin leicht auf
Arbeitskräfte zurückgreifen und musste dann nicht lebenslang die Fronarbeiter
versorgen und die Versklavung von Bauern führte in weiten Teilen zu ausbleiben-
den Ernteerträge und damit zu Steuereinbußen.
Die Zwangsarbeit hat in Teilen Nepals dazu geführt, dass Bauern ihr Land
verlassen haben, um sich an einem anderen Ort in Nepal oder im Ausland ei-
ne neue Existenz aufzubauen. Diese Menschen waren mit die ersten Arbeitsmi-
granten Nepals. So bildeten Nepalis 1872 in Darjeeling bereits die Mehrheit der
Bevölkerung, am Ende des 19. Jahrhunderts auch in Sikkim, nicht zu reden von
den ungezählten nepalischen Arbeitern in Indien oder den im Ersten und Zweiten
Weltkrieg angeworbenen Gorkha-Soldaten. Das Problem solcher Wanderarbeiter
hat sich bekanntlich ausgeweitet, denn Schätzungen zufolge sind heute über sie-
ben Prozent der Bevölkerung als Wanderarbeiter im Ausland, vor allem in Indien
und den Golfstaaten, tätig. Mittlerweile hat jeder dritte Haushalt ein Mitglied, das
im Ausland arbeitet. Die durch die Arbeitsmigration verdienten Devisen sind ne-
ben dem Tourismus die größte Einnahmequelle Nepals geworden. 2013/14 trugen
die Wanderarbeiter mit ihren Überweisungen fast 30 Prozent zum Bruttoinlands-
produkt bei. Diese Form der modernen Sklaverei ist also einträglich geworden -
zumindest für den Staat.
Literatur:
A. Michaels, Kultur und Geschichte Nepals, Stuttgart: Kröner-Verlag, 2018, S. 200—209 mit
weiteren Nachweisen)
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denen Magistrate und Distriktbüros vor, wenn sie widerrechtlich eine Versklavung
duldeten oder sogar betrieben. Auch war es jedem verboten, den Kastenstatus zu
manipulieren, um eine Versklavung zu ermöglichen. Schon die Unterscheidung in
versklavbare und nicht-versklavbare Kasten in der Kastenhierarchie des Ains von
1854 war ein Instrument der Unterdrückung und Ausbeutung hauptsächlich der
Bauernschaft und der unreinen Kasten oder Kastenlosen.
Der Hauptgrund für die Versklavung war die billige Arbeitskraft. Diese ging
einher mit einem ausgeklügelten System der Verarmung und Verschuldung der
Bauernschaft. Aus wirtschaftlicher Sicht war der Nutzen der Sklaverei aber zwei-
felhaft, denn der Staat konnte durch ein Zwangsarbeit-System ohnehin leicht auf
Arbeitskräfte zurückgreifen und musste dann nicht lebenslang die Fronarbeiter
versorgen und die Versklavung von Bauern führte in weiten Teilen zu ausbleiben-
den Ernteerträge und damit zu Steuereinbußen.
Die Zwangsarbeit hat in Teilen Nepals dazu geführt, dass Bauern ihr Land
verlassen haben, um sich an einem anderen Ort in Nepal oder im Ausland ei-
ne neue Existenz aufzubauen. Diese Menschen waren mit die ersten Arbeitsmi-
granten Nepals. So bildeten Nepalis 1872 in Darjeeling bereits die Mehrheit der
Bevölkerung, am Ende des 19. Jahrhunderts auch in Sikkim, nicht zu reden von
den ungezählten nepalischen Arbeitern in Indien oder den im Ersten und Zweiten
Weltkrieg angeworbenen Gorkha-Soldaten. Das Problem solcher Wanderarbeiter
hat sich bekanntlich ausgeweitet, denn Schätzungen zufolge sind heute über sie-
ben Prozent der Bevölkerung als Wanderarbeiter im Ausland, vor allem in Indien
und den Golfstaaten, tätig. Mittlerweile hat jeder dritte Haushalt ein Mitglied, das
im Ausland arbeitet. Die durch die Arbeitsmigration verdienten Devisen sind ne-
ben dem Tourismus die größte Einnahmequelle Nepals geworden. 2013/14 trugen
die Wanderarbeiter mit ihren Überweisungen fast 30 Prozent zum Bruttoinlands-
produkt bei. Diese Form der modernen Sklaverei ist also einträglich geworden -
zumindest für den Staat.
Literatur:
A. Michaels, Kultur und Geschichte Nepals, Stuttgart: Kröner-Verlag, 2018, S. 200—209 mit
weiteren Nachweisen)
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