Hans-Joachim Gehrke
Beobachtung führte eine neue Analyse der einschlägigen Quellen zu drei wich-
tigen Schlussfolgerungen zu Olympia als Lebensraum (espace vecuj. Zunächst (1)
lässt sich, auch ausgehend von der bereits beobachteten Komplementarität der
denselben Raum betreffenden Ortsbezeichnungen Olympia (sakral) und Pisa (all-
täglich), eine enorme Bedeutung des Heiligtums für die Formierung der sozialen
Organisation in der Umgebung erschließen. Die relativ isoliert lebende Bevöl-
kerung der Nachpalastzeit und der Frühen Eisenzeit (1200—1000) bildete keine
vorgehende politische oder ethnische Einheit, sondern formierte sich als soziale
Gruppe erst in der seit etwa 1070 einsetzenden Praktizierung des Kults und Ora-
kels von Olympia. Diese „Pisaten“ kamen wohl relativ früh (der genaue Zeitraum
wäre noch zu klären) unter die Kontrolle von Elis, das angesichts der rasch wach-
senden Bedeutung des Heiligtums die komplexen Aufgaben der Organisation der
schließlich die ganze griechische Welt umfassenden Olympischen Spiele bewälti-
gen konnte.
Die in diesem Zusammenhang notwendige innere Integration (2) auf lokaler,
regionaler und panhellenischer Ebene ließ sich vor allem durch die Ausgestaltung
eines „mythischen Raumes” in Kultpraktiken und Geschichten erreichen. Beson-
ders charakteristisch ist hierbei der Fluss Alpheios, der in der typischen Polyvalenz
des espace mythique (Maurice Merleau-Ponty) gleichzeitig ein natürliches Gewäs-
ser, Wasser von sakraler Qualität und einen personifizierten, also anthropomor-
phen Gott darstellte. Rituale und mythische Erzählungen brachten ihn nicht nur
mit der Weissagekraft und dem Orakel in Olympia in Verbindung, sondern auch
mit Kulten an seiner Mündung, die schließlich durch Übertragungen und Pro-
zessionen auch regionale Verbindungen stifteten. Bekannte und in verschiedenen
Versionen erzählte Geschichten von der Verfolgung der Göttin Artemis oder ihrer
Gefährtin Arethusa führten schließlich sogar nach Übersee, in die korinthische
Pflanzstadt Syrakus.
Abb. 2: Das Kladeostal bei Olympia
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Beobachtung führte eine neue Analyse der einschlägigen Quellen zu drei wich-
tigen Schlussfolgerungen zu Olympia als Lebensraum (espace vecuj. Zunächst (1)
lässt sich, auch ausgehend von der bereits beobachteten Komplementarität der
denselben Raum betreffenden Ortsbezeichnungen Olympia (sakral) und Pisa (all-
täglich), eine enorme Bedeutung des Heiligtums für die Formierung der sozialen
Organisation in der Umgebung erschließen. Die relativ isoliert lebende Bevöl-
kerung der Nachpalastzeit und der Frühen Eisenzeit (1200—1000) bildete keine
vorgehende politische oder ethnische Einheit, sondern formierte sich als soziale
Gruppe erst in der seit etwa 1070 einsetzenden Praktizierung des Kults und Ora-
kels von Olympia. Diese „Pisaten“ kamen wohl relativ früh (der genaue Zeitraum
wäre noch zu klären) unter die Kontrolle von Elis, das angesichts der rasch wach-
senden Bedeutung des Heiligtums die komplexen Aufgaben der Organisation der
schließlich die ganze griechische Welt umfassenden Olympischen Spiele bewälti-
gen konnte.
Die in diesem Zusammenhang notwendige innere Integration (2) auf lokaler,
regionaler und panhellenischer Ebene ließ sich vor allem durch die Ausgestaltung
eines „mythischen Raumes” in Kultpraktiken und Geschichten erreichen. Beson-
ders charakteristisch ist hierbei der Fluss Alpheios, der in der typischen Polyvalenz
des espace mythique (Maurice Merleau-Ponty) gleichzeitig ein natürliches Gewäs-
ser, Wasser von sakraler Qualität und einen personifizierten, also anthropomor-
phen Gott darstellte. Rituale und mythische Erzählungen brachten ihn nicht nur
mit der Weissagekraft und dem Orakel in Olympia in Verbindung, sondern auch
mit Kulten an seiner Mündung, die schließlich durch Übertragungen und Pro-
zessionen auch regionale Verbindungen stifteten. Bekannte und in verschiedenen
Versionen erzählte Geschichten von der Verfolgung der Göttin Artemis oder ihrer
Gefährtin Arethusa führten schließlich sogar nach Übersee, in die korinthische
Pflanzstadt Syrakus.
Abb. 2: Das Kladeostal bei Olympia
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