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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

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A. Das akademische Jahr 2018
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III. Veranstaltungen
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Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie“
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Zotter, Astrid: Papier ist geduldig: historische Dokumente aus Nepal
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https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0098
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III. Veranstaltungen

seits entstehen Editionen einzelner Dokumente, sowohl digital und frei im Netz
verfügbar (https://www.haw.uni-heidelberg.de/forschung/forschungsstellen/nepal/
edition.de.html), als auch in gedruckter Form. Welche Dokumente ediert werden,
richtet sich nach den thematischen Schwerpunkten der Mitarbeiter. Diese sind
beispielsweise Sklaverei und Zwangsarbeit, Gesandtenberichte, die Rechtspraxis,
die Rolle von Asketenorden oder Feste.
Wie die Dokumente bei der Beantwortung der übergeordneten Forschungs-
fragen helfen können, lässt sich anhand des Dasain-Fest illustrieren. Dabei handelt
es sich um die Verehrung der Göttin Durgä über eine Periode von zehn Tagen
im Herbst. Mythologisch ist das Fest mit Durgäs Kampf gegen und ihrem Sieg
über den „Dämonen in Gestalt eines Büffels“ (Mahisäsura) verbunden und wird
bis heute in der gesamten hinduistischen Welt gefeiert. Historisch war es vor al-
lem im höfischen Milieu angesiedelt. Auch in Nepal wurde es als königliches Fest
mindestens seit dem 14. Jh. in der Malla-Zeit, wahrscheinlich aber schon früher
begangen. Im langen 19. Jh. avancierte es zum Staatsfest par excellence und wird
heute von den allermeisten Bevölkerungsgruppen gefeiert. Seiner Bedeutung für
das öffentliche Leben nach ist Dasain vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest:
Beschäftigte erhalten ein 13. Monatsgehalt. Ämter und Büros schließen. Familien
kommen zusammen und verausgaben sich.
Es war bereits bekannt, dass das Feiern des Dasain-Festes ein wichtiger Be-
standteil des vom Staat propagierten verpflichtenden Minimalhinduismus war.
Doch viele Gruppen in den eroberten Gebieten waren keine Hindus. Andere folg-
ten zwar hinduistischen Traditionen, hatten aber eine ganz andere Festkultur als
die neuen Herrscher. Wie schaffte es der Staat in einer solchen Situation vorzu-
schreiben, dieses Fest zu feiern? Was bedeutete das und wie wurde es kontrolliert?
Wurde man bestraft, wenn man nicht feierte? Tatsächlich sind gerade Dokumen-
te zu diesen Fragen sehr aufschlussreich. Es zeigt sich, dass vor allem bestimmte
Schlüsselpraktiken staatlich forciert wurden. Eine solche - das wohl größte öf-
fentliche Spektakel des Festes und zugleich auch sein größter Kostenpunkt - ist
das Opfern von männlichen Büffeln und Ziegen. Die Blutopfer an Dasain waren
verpflichtend für alle Untertanen und damit allgegenwärtig. Deshalb wundert es
nicht, dass sie fester Bestandteil des exotisierenden Blicks auf Nepal wurden. So
berichtet der Geophysiker Wilhelm Filchner von seinem Besuch 1940:
„Es ist eine Massenschlächterei, die von einem westlichen Zuschauer Nerven
verlangt. [... ] Man muß einige Höfe des Darbär durchschreiten, dann steht man
vor dem Riesenstandbild der blutdürstigen Göttin Durgä, zu deren Füßen die Büf-
fel geopfert werden. Der Schlachtpriester [...] nimmt die Tiere in Empfang und
bindet sie an Pfählen an. Dann schwingt er unter dem brüllenden Beifall des Volkes
sein Schwert. Die toten Tiere werden wie Mehlsäcke gestapelt [...]. Welchen Um-
fang diese Schlächterei annimmt, kann man schon aus den verbindlichen Regeln
ablesen, die vorschreiben, daß zum Beispiel jeder Offizier der Nepälarmee je nach

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