B. Die Mitglieder
mischen Leidenschaft nachzugehen und dennoch eine Familie zu haben. Gerade
in dieser Hinsicht hat sich das akademische Leben in den letzten Jahrzehnten sehr
verändert; gerade wir Wissenschaftlerinnen haben erreicht, dass die jüngere Gene-
ration sich heute nicht mehr die Frage stellen muss, ob Wissenschaft und Familie
miteinander vereinbar sind. Wissenschaftlerinnen wie Aleida Assmann und Renate
Lachmann haben uns gezeigt, dass das möglich ist, dass auch eine Universitätspro-
fessorin Kinder haben kann. Sie waren diesbezüglich unsere Vorbilder, und wir sind
oder waren es für unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen, die heute ganz selbst-
verständlich Wissenschaft und Familie miteinander in Einklang bringen, auch wenn
das keineswegs ein Kinderspiel ist. Diese positive Entwicklung ist nicht nur den
vielen Gleichstellungsprogrammen der DFG und der Ministerien zu verdanken,
sondern auch uns Wissenschaftlerinnen, die diese Gleichstellung leben.
Und wie sieht es nun mit meiner wissenschaftlichen Arbeit im Moment aus?
Obwohl ich meinen Beruf mit großer Leidenschaft ausübe, hätte ich gerne mehr
Zeit zum Schreiben, aber das geht uns allen so. Lange schon arbeite ich an einem
Buch über Intime Texte, intime Räume. Zur Konstruktion von Nähe in der russischen
Literatur und Kultur. Darin geht es um Ego-Dokumente, um die Nähe zwischen
Zuschauer und Film, zwischen Autor und Leser bzw. Autorin und Leserin, und
es geht um Räume, in denen diese Nähe ausgelebt wird: in den durch Literatur
geprägten Sekten und Kommunen im 19. Jahrhundert, in Kinosälen oder in Kom-
munalwohnungen im 20.
Und natürlich beschäftigen mich noch eine Reihe anderer Projekte, die mich
davon abhalten, dieses eine Buch endlich fertig zu schreiben:
- Erstens forsche ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Warschau,
Berlin und Tübingen in einem DFG-Projekt zur Verflechtungsgeschichte der
ost- und mitteleuropäischen Theorie; wir schauen uns an, welche Bewegungen
Literatur- und Kulturtheorien, die im Laufe des 20. Jahrhunderts in Ost- und
Mitteleuropa entstanden sind, unternommen haben; wie sie als travelling theories
zunächst in die westliche Theoriedebatte eingegangen sind, um dann - in ver-
änderter Form - wieder an ihren Ursprungsort zurück zu kommen.
- Zweitens arbeite ich mit Kolleginnen aus Warschau, Mainz und Siegen an einem
Projekt über die polnische Fotografie; nächste Woche erscheint im Wallstein-
Verlag ein Buch über die in Deutschland fast gänzlich unbekannte polnische
Reportagefotografie aus der Zeit der Volksrepublik, das wir herausgeben.
- In einem dritten Projekt, das vom BMBF gefördert wird und an ein abgeschlos-
senes EU-Projekt anknüpft, baue ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kolle-
gen aus Slowenien, Polen, Bulgarien, Kroatien und der Ukraine ein Netzwerk
auf, das versucht, zwischen der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Öffent-
lichkeit zu vermitteln. Wir wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen
kultureller Transfer bzw. kulturelle Zirkulation gelingt oder eben nicht. Das er-
forschen wir theoretisch mit einer historischen Dimension, und wir erproben
162
mischen Leidenschaft nachzugehen und dennoch eine Familie zu haben. Gerade
in dieser Hinsicht hat sich das akademische Leben in den letzten Jahrzehnten sehr
verändert; gerade wir Wissenschaftlerinnen haben erreicht, dass die jüngere Gene-
ration sich heute nicht mehr die Frage stellen muss, ob Wissenschaft und Familie
miteinander vereinbar sind. Wissenschaftlerinnen wie Aleida Assmann und Renate
Lachmann haben uns gezeigt, dass das möglich ist, dass auch eine Universitätspro-
fessorin Kinder haben kann. Sie waren diesbezüglich unsere Vorbilder, und wir sind
oder waren es für unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen, die heute ganz selbst-
verständlich Wissenschaft und Familie miteinander in Einklang bringen, auch wenn
das keineswegs ein Kinderspiel ist. Diese positive Entwicklung ist nicht nur den
vielen Gleichstellungsprogrammen der DFG und der Ministerien zu verdanken,
sondern auch uns Wissenschaftlerinnen, die diese Gleichstellung leben.
Und wie sieht es nun mit meiner wissenschaftlichen Arbeit im Moment aus?
Obwohl ich meinen Beruf mit großer Leidenschaft ausübe, hätte ich gerne mehr
Zeit zum Schreiben, aber das geht uns allen so. Lange schon arbeite ich an einem
Buch über Intime Texte, intime Räume. Zur Konstruktion von Nähe in der russischen
Literatur und Kultur. Darin geht es um Ego-Dokumente, um die Nähe zwischen
Zuschauer und Film, zwischen Autor und Leser bzw. Autorin und Leserin, und
es geht um Räume, in denen diese Nähe ausgelebt wird: in den durch Literatur
geprägten Sekten und Kommunen im 19. Jahrhundert, in Kinosälen oder in Kom-
munalwohnungen im 20.
Und natürlich beschäftigen mich noch eine Reihe anderer Projekte, die mich
davon abhalten, dieses eine Buch endlich fertig zu schreiben:
- Erstens forsche ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Warschau,
Berlin und Tübingen in einem DFG-Projekt zur Verflechtungsgeschichte der
ost- und mitteleuropäischen Theorie; wir schauen uns an, welche Bewegungen
Literatur- und Kulturtheorien, die im Laufe des 20. Jahrhunderts in Ost- und
Mitteleuropa entstanden sind, unternommen haben; wie sie als travelling theories
zunächst in die westliche Theoriedebatte eingegangen sind, um dann - in ver-
änderter Form - wieder an ihren Ursprungsort zurück zu kommen.
- Zweitens arbeite ich mit Kolleginnen aus Warschau, Mainz und Siegen an einem
Projekt über die polnische Fotografie; nächste Woche erscheint im Wallstein-
Verlag ein Buch über die in Deutschland fast gänzlich unbekannte polnische
Reportagefotografie aus der Zeit der Volksrepublik, das wir herausgeben.
- In einem dritten Projekt, das vom BMBF gefördert wird und an ein abgeschlos-
senes EU-Projekt anknüpft, baue ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kolle-
gen aus Slowenien, Polen, Bulgarien, Kroatien und der Ukraine ein Netzwerk
auf, das versucht, zwischen der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Öffent-
lichkeit zu vermitteln. Wir wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen
kultureller Transfer bzw. kulturelle Zirkulation gelingt oder eben nicht. Das er-
forschen wir theoretisch mit einer historischen Dimension, und wir erproben
162