Antrittsrede von Sabine Dabringhaus
Zu großem Dank bin ich Professor Roderich Ptak verpflichtet, der 1994 auf einen
der beiden sinologischen Lehrstühle in München wechselte und mir eine Assisten-
tenstelle anbot. In der Kaulbachstraße, zwischen Siegestor und Englischem Garten,
erhielt ich die Möglichkeit, mich mit den vielfältigen Aufgaben des universitären
Institutsalltags vertraut zu machen. Roderich Ptak gab mir zudem den Freiraum,
meine in China vertieften historischen Interessen weiterzuentwickeln.
Daraus entstand eine Habilitationsschrift, die zumindest eine Antwort auf
die Frage fand, wie in China während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der
Übergang vom kaiserlichen Vielvölkerimperium zum modernen Nationalstaat ge-
lang. Aus meiner Quellenanalyse entwickelte ich das Konzept eines „territorialen
Nationalismus“, der nicht - wie andere Formen des Nationalismus in China -
vom Westen übernommen wurde. Er basierte vielmehr auf den quellenkritischen
Studien, aus denen sich an chinesischen Hochschulen der Republikzeit moderne
Fachdisziplinen entwickelten.
Von zentraler Bedeutung war die Historische Geographie, die in China zur
gleichen Zeit wie in Europa entstand - zunächst aber als Teil der Geschichtswis-
senschaft. Sie befragte die historischen Quellen kritisch nach Nachweisen für die
jahrhundertealte territoriale Entwicklung Chinas. Diese erste Generation chine-
sischer Professoren und ihre Schüler konzipierten in den dreißiger und vierziger
Jahren einen territorial legitimierten Nationalstaat auf den Grundlagen des mon-
archischen Vielvölkerreiches. Verwirklicht wurde er freilich erst mit gewaltsamen
Mitteln in der 1949 von Mao Zedong gegründeten Volksrepublik.
Die Einführung von Juniorprofessuren im Jahre 2002 erwies sich für mich als
ein erneuter wichtiger historischer Moment: Das Historische Seminar der Uni-
versität Freiburg entschloss sich im Rahmen dieses Programms zur Ausschreibung
einer Juniorprofessur für Außereuropäische Geschichte mit dem Schwerpunkt
Ostasien.
Als ich im Frühjahr 2003 diese Stelle antreten konnte, ging der Traum der Un-
terprimanerin in Erfüllung - und das ausgerechnet in meiner Heimatstadt. Auch
hier spielten wiederum Begegnungen eine große Rolle. Mein tiefer Dank gilt zwei
Freiburger Historikern - zugleich Mitglieder der Heidelberger Akademie - Wolf-
gang Reinhard und dem im vergangenen Jahr verstorbenen Ernst Schulin. Beide
haben mit ihrem universalen Interessenshorizont die ungewöhnliche disziplinäre
Offenheit der Freiburger Geschichtswissenschaft eingeleitet. Und so wurde nach
sechs Jahren Juniorprofessur die einzige W3-Professur für Chinesische Geschich-
te innerhalb eines deutschen historischen Instituts etabliert.
Die Nachteile und Vorteile einer solchen fachlichen Konstellation liegen auf
der Hand: In der Lehre kann ich bei Geschichtsstudierenden keine Chinesisch-
Kenntnisse voraussetzen und bin auf Übersetzungen und westliches Material
angewiesen. Doktoranden mit den für die Forschung unerlässlichen Sprachkennt-
nissen müssen vorwiegend von außen rekrutiert werden.
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Zu großem Dank bin ich Professor Roderich Ptak verpflichtet, der 1994 auf einen
der beiden sinologischen Lehrstühle in München wechselte und mir eine Assisten-
tenstelle anbot. In der Kaulbachstraße, zwischen Siegestor und Englischem Garten,
erhielt ich die Möglichkeit, mich mit den vielfältigen Aufgaben des universitären
Institutsalltags vertraut zu machen. Roderich Ptak gab mir zudem den Freiraum,
meine in China vertieften historischen Interessen weiterzuentwickeln.
Daraus entstand eine Habilitationsschrift, die zumindest eine Antwort auf
die Frage fand, wie in China während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der
Übergang vom kaiserlichen Vielvölkerimperium zum modernen Nationalstaat ge-
lang. Aus meiner Quellenanalyse entwickelte ich das Konzept eines „territorialen
Nationalismus“, der nicht - wie andere Formen des Nationalismus in China -
vom Westen übernommen wurde. Er basierte vielmehr auf den quellenkritischen
Studien, aus denen sich an chinesischen Hochschulen der Republikzeit moderne
Fachdisziplinen entwickelten.
Von zentraler Bedeutung war die Historische Geographie, die in China zur
gleichen Zeit wie in Europa entstand - zunächst aber als Teil der Geschichtswis-
senschaft. Sie befragte die historischen Quellen kritisch nach Nachweisen für die
jahrhundertealte territoriale Entwicklung Chinas. Diese erste Generation chine-
sischer Professoren und ihre Schüler konzipierten in den dreißiger und vierziger
Jahren einen territorial legitimierten Nationalstaat auf den Grundlagen des mon-
archischen Vielvölkerreiches. Verwirklicht wurde er freilich erst mit gewaltsamen
Mitteln in der 1949 von Mao Zedong gegründeten Volksrepublik.
Die Einführung von Juniorprofessuren im Jahre 2002 erwies sich für mich als
ein erneuter wichtiger historischer Moment: Das Historische Seminar der Uni-
versität Freiburg entschloss sich im Rahmen dieses Programms zur Ausschreibung
einer Juniorprofessur für Außereuropäische Geschichte mit dem Schwerpunkt
Ostasien.
Als ich im Frühjahr 2003 diese Stelle antreten konnte, ging der Traum der Un-
terprimanerin in Erfüllung - und das ausgerechnet in meiner Heimatstadt. Auch
hier spielten wiederum Begegnungen eine große Rolle. Mein tiefer Dank gilt zwei
Freiburger Historikern - zugleich Mitglieder der Heidelberger Akademie - Wolf-
gang Reinhard und dem im vergangenen Jahr verstorbenen Ernst Schulin. Beide
haben mit ihrem universalen Interessenshorizont die ungewöhnliche disziplinäre
Offenheit der Freiburger Geschichtswissenschaft eingeleitet. Und so wurde nach
sechs Jahren Juniorprofessur die einzige W3-Professur für Chinesische Geschich-
te innerhalb eines deutschen historischen Instituts etabliert.
Die Nachteile und Vorteile einer solchen fachlichen Konstellation liegen auf
der Hand: In der Lehre kann ich bei Geschichtsstudierenden keine Chinesisch-
Kenntnisse voraussetzen und bin auf Übersetzungen und westliches Material
angewiesen. Doktoranden mit den für die Forschung unerlässlichen Sprachkennt-
nissen müssen vorwiegend von außen rekrutiert werden.
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